Abgrenzung zum Handwerk
1. Wann gehört ein Unternehmen zur IHK?
Die Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einer Industrie- und Handelskammer in Deutschland ergibt sich aus § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHK-Gesetz) mit folgendem Wortlaut:
"Zur Industrie- und Handelskammer gehören, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt sind, natürliche Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, welche im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhalten (Kammerzugehörige)"
Bestimmte Ausnahmen von der Zugehörigkeit regelt § 2 Abs. 2 und 3 des IHK-Gesetzes. Hiernach gehören (mit weiteren Gegenausnahmen) diejenigen Unternehmen nicht zur Industrie- und Handelskammer, die den freien Berufen, der Landwirtschaft oder dem Handwerk zuzuordnen sind.
2. Was fällt unter „Handwerk“?
Was ein Handwerksbetrieb ist, wird durch die Handwerksordnung (HwO) geregelt. Die HwO enthält in einer Anlage A ein Verzeichnis derjenigen 53 Gewerbe, die als zulassungspflichtiges Handwerk betrieben werden können. Hierzu bedarf es der Eintragung in die Handwerksrolle (sog. „Meisterpflicht“). In der Anlage B Abschnitt 1 (B1) ist ein Verzeichnis derjenigen 42 Gewerbe, die als zulassungsfreies Handwerk, in der Anlage B Abschnitt 2 (B2) ein Verzeichnis derjenigen 52 Gewerbe, die handwerksähnlich betrieben werden können, aufgeführt. Beide Gewerbearten sind „meisterfrei“, jedoch ist eine Eintragung in das entsprechende Verzeichnis bei der Handwerkskammer erforderlich.
3. Was passiert, wenn ein Unternehmen mehrere Tätigkeiten ausübt?
Handwerker sind in der Regel Mitglied in der Handwerkskammer. Werden daneben aber auch andere Tätigkeiten ausgeübt, die der IHK zuzuordnen sind, muss entschieden werden, ob das Unternehmen beiden Kammern angehört, oder ob eine Ausnahmevorschrift greift, die die alleinige Zuordnung zur IHK bewirkt. In der Praxis sind zahlreiche Unternehmen beiden Kammern zugehörig (sog. Mischbetriebe).
4. Wann wird geprüft?
Die Abgrenzung zum Handwerk bedarf gelegentlich einer näheren Prüfung im Einzelfall – und dies nicht nur bei Existenzgründern, sondern z.B. auch bei Betrieben, die sich im Grenzbereich von Handwerk und Industrie bewegen oder deren Tätigkeit sich im Laufe der Jahre gewandelt hat. Das Unternehmen kann die Prüfung selbst durch ein Telefonat/ Schreiben bei einer der Kammern anstoßen. Insbesondere bei Gewerbean- und -ummeldungen prüft die Handwerkskammer von sich aus, manchmal auch auf Veranlassung eines Wettbewerbers.
5. Und wie sieht die Prüfung aus?
Das Unternehmen erhält ein Formular (ein sog. Auskunftsersuchen), in dem es seine ausgeübten Tätigkeiten nebst prozentualer Umsatzverteilung angeben kann. Abgefragt werden zudem weitere relevante Punkte, wie Anzahl und berufliche Qualifikationen der Inhaber und Beschäftigten. Auf dieser Grundlage treffen beide Kammern eine (gemeinsame) Entscheidung. Sie ziehen dabei den bundesweit abgestimmten „Leitfaden Abgrenzung“ heran, in dem diverse Tätigkeiten zugeordnet sind.
Hieran schließt sich auch die Beantwortung der Frage an, wie die prozentuale Beitragsteilung erfolgt.
6. Ich betreibe einen Handel und führe ein Handwerk der Anlage A aus – was bedeutet das für die Zuordnung?
Wird ein zulassungspflichtiges Handwerk (Anlage A der Handwerksordnung) zu einem sonst IHK-zugehörigen Betrieb geführt, wird das Unternehmen mit dem handwerklichen Teil handwerkskammerzugehörig, wenn es sich nicht lediglich um einen unerheblichen Nebenbetrieb handelt. Es besteht dann Eintragungspflicht in der Handwerksrolle. Als Maßstab dieser Unerheblichkeit legt § 3 Abs. 2 HwO fest, dass die durchschnittliche Arbeitszeit eines ohne Hilfskräfte Vollzeit arbeitenden Betriebes des betreffenden Handwerkszweiges nicht überschritten werden darf, und zwar während eines Jahres (ca. 1664 Stunden/Jahr). Diese Grenze gilt grundsätzlich auch für Ein-Mann-Betriebe, die damit regelmäßig „unerheblich“ handwerklich arbeiten.
7. Wie ist Abgrenzung bei der Verbindung von IHK-zugehörigen Tätigkeiten mit Anlage B der HWO?
Wird ein zulassungsfreies Handwerk oder ein handwerksähnliches Gewerbe (Anlage B der Handwerksordnung) als Nebenbetrieb eines sonst IHK-zugehörigen Betriebes geführt, ist der Gesamtbetrieb IHK-zugehörig; die Voraussetzungen der Handwerksordnung sind nicht zu beachten. Die Einschränkung hinsichtlich der Stundenanzahl wie unter Frage 6 beschrieben, gibt es nicht.
8. Was geschieht, wenn der handwerkliche Teil dominiert?
Wird neben dem IHK-zugehörigen Gewerbe unabhängig von diesem oder im Schwerpunkt ein zulassungspflichtiges Handwerk (Anlage A), ein zulassungsfreies Handwerk oder ein handwerksähnliches Gewerbe (Anlage B) ausgeübt, liegt ein gemischt-gewerblicher Betrieb vor, mit der Konsequenz, dass er beiden Kammern angehört und sich in der Handwerksrolle bzw. dem Verzeichnis nach § 19 Handwerksordnung eintragen lassen muss.
Für die Beitragsveranlagung werden die Gewerbeerträge aus den jeweiligen Betriebsteilen herangezogen. Das Unternehmen wird jedoch vom IHK-Beitrag freigestellt, wenn es nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert oder trotz dieses Erfordernisses der Umsatz des IHK-zugehörigen Betriebsteils 130.000 EUR nicht übersteigt.
9. Gibt es weitere Ausnahmen?
Aus der Ausübung einer in einem zulassungspflichtigen handwerklichen Berufsbild genannten Tätigkeit allein folgt noch nicht, dass es sich um eine der HwO unterliegende, handwerksmäßige Tätigkeit handelt. Abzugrenzen sind unwesentliche Tätigkeiten, die sich vor allem durch die Merkmale „leicht erlernbar“, „nebensächlich für das Anlage-A-Handwerk“ oder „nicht aus dem Handwerk entstanden“ auszeichnen. Zu nennen ist hier beispielsweise der Trockenbau. Auch kann sich aus dem Gesamtbild ergeben, dass ein industrieller Betrieb vorliegt, der zur IHK gehört. Die Abgrenzung findet immer im konkreten Einzelfall statt.
10. Gilt das alles auch, wenn ich die handwerklichen Leistungen nicht an Dritte anbiete?
Handelt es sich um einen sog. Hilfsbetrieb, ist dieser nicht in der Handwerkskammer eintragungspflichtig. Ein nicht handwerksrollenpflichtiger Hilfsbetrieb liegt nach der Rechtsprechung z. B. vor, wenn ein Autovermieter seine Fahrzeugflotte durch eine eigene Reparaturwerkstatt in Ordnung hält. Der Hilfsbetrieb darf keinen unmittelbaren Zugang zum Markt haben und nur den Hauptbetrieb beliefern.
Stand: 06.03.2020