Strukturwandel und Beschäftigung
Der wirtschaftliche Wandel seit 1990 brachte große strukturelle Veränderungen im wirtschaftlichen Gefüge der Stadt Leipzig, wie im gesamten Kammerbezirk mit sich. Neben einem allgemeinen Rückgang an Arbeitsplätzen waren für diese strukturellen Veränderungen der starke Rückgang des Anteils der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe einerseits und der deutliche Anstieg der im Dienstleistungsgewerbe tätigen Personen andererseits prägend.
Wurden 1991 auf dem heutigen Stadtgebiet etwa 305.000 Erwerbstätige1 (Selbstständige und Arbeitnehmer) registriert, so waren es im Jahre 2019 ca. 347.000 und somit etwa 42.000 Personen mehr. Dabei ist außerdem zu beachten, dass 2019 die Einwohnerzahl bereits um ca. 44.000 Bewohner über dem Stand von 1991 lag. Waren 1991 noch 37 Prozent der Erwerbstätigen in den produzierenden Wirtschaftsbereichen (Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energie- und Wasserwirtschaft, Baugewerbe) tätig, so sind es nunmehr nur noch 14 Prozent. Der Rückgang betraf vor allem das Verarbeitende Gewerbe. Im Baugewerbe geht die Zahl der Erwerbstätigen seit Mitte der 90-er Jahre kontinuierlich zurück, nachdem es jedoch in der ersten Hälfte der 90-er Jahre seinen Beschäftigtenanteil auf über 15 Prozent ausgedehnt hatte. Der Dienstleistungsbereich (Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, Kredit- und Versicherungsgewerbe, Wohnungswesen, Vermietungen, Dienstleistungen für Unternehmen, private und öffentliche Dienstleistungen einschl. öffentliche Verwaltung) hat dagegen seinen Erwerbstätigenanteil im gleichen Zeitraum stetig von 62 auf 86 Prozent erhöht.
Nicht nur das Gefüge zwischen den Wirtschaftsbereichen hat sich seit Beginn der 90-er Jahre deutlich gewandelt, auch innerhalb der einzelnen Bereiche haben sich vielfältige strukturelle Veränderungen vollzogen. Nachdem das Verarbeitende Gewerbe in Leipzig einen starken Arbeitsplatzabbau verzeichnete und die Stadt damit einen nicht unwesentlichen Bedeutungsverlust als Industriestandort hinnehmen musste, sind nach einer Konsolidierungsphase nun wieder deutliche Wachstumsimpulse auszumachen. Im Jahr 2005 erlebte die Stadt Leipzig mit der Inbetriebnahme des BMW-Montagewerkes einen bedeutenden industriellen Aufschwung. Dieser setzte sich bis mit einer Unterbrechung im Jahre 2009 fort, als die negativen Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise auch die Industrieunternehmen der Stadt Leipzig trafen. Aber bereits 2010 setzte sich die positive Entwicklung bis 2015 fort. Zwischen 2015 und 2018 stagnierte die Umsatzentwicklung auf hohem Niveau, ging jedoch 2019 und 2020 aufgrund der weltweiten Absatzkrise im Automobilbau sowie der Corona-Pandemie deutlich zurück. Ende 2020 beschäftigten die 167 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes mit mehr als 20 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt fast 22.500 Arbeitnehmer2. Gegenüber dem bisherigen Tiefpunkt im Jahre 1999 stieg die Zahl der Beschäftigten um fast 10.300 bzw. 84 Prozent an. Ihren Umsatz konnten die berichtspflichtigen Unternehmen der Stadt Leipzig mit ca. 8,77 Mrd. €2 im Jahres 2020 in den vergangenen 20 Jahren nahezu versechsfachen. Beim Zahlenvergleich der aktuellen Daten mit Daten vor dem Jahr 2008 ist jedoch zu beachten, dass sich mit der Neuverschlüsselung der Unternehmen nach der aktuellen Wirtschaftszweigsystematik WZ 2008 (vorher WZ 2003) auch der Berichtskreis der Industrieunternehmen änderte. Im Fall der Stadt Leipzig wurden 2008 über 20 Unternehmen weniger erfasst als im Jahr 2007. Die bisherige Umsatzbestmarke wurde indes im Jahre 2018 mit 9,96 Mrd. € erzielt. Erfreulich entwickelten sich auch die Exportaktivitäten der hiesigen Unternehmen, was auf die zunehmende internationale Ausrichtung ihrer Absatzmärkte schließen lässt. So setzte das Verarbeitende Gewerbe Leipzigs im Jahre 2020 insgesamt 4,25 Mrd. € im Ausland um. Die daraus resultierende Exportquote von 48,5 Prozent verdeutlicht die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit der angebotenen Produkte und Leistungen auf dem Weltmarkt. Die bisher meisten Exporte tätigten die hiesigen Industrieunternehmen im Jahre 2015 mit einem Auslandsumsatz von 5,58 Mrd. €. Die ausländischen Märkte werden auch in Zukunft ein wichtiger Faktor für das betriebliche Wachstum vor Ort bleiben.
Zu den strukturbestimmenden Branchen des Verarbeitenden Gewerbes in der Stadt Leipzig zählen die Herstellung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen mit über 10.000, die Installation von Maschinen und Ausrüstungen mit fast 2.000, der Maschinenbau mit etwa 1.900 sowie die Metallbearbeitung/Herstellung von Metallerzeugnissen mit über 1.700 Beschäftigten. Mit etwa 1.000 Beschäftigten folgen an fünfter und sechster die die Herstellung von Druckerzeugnissen und die Herstellung von elektrischen Ausrüstungen. Die genannten strukturbestimmenden Industriebranchen vereinen fast 80 Prozent aller im verarbeitenden Gewerbe tätigen Arbeitnehmer und erwirtschaften ca. 90 Prozent des industriellen Umsatzes. Allein auf die Branche Herstellung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen entfallen schätzungsweise etwa zwei Drittel des Gesamtumsatzes3 und über 80 Prozent des Exportumsatzes der Leipziger Industrie.
Mit dem industriellen Wachstum erhöht sich die Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes für das wirtschaftliche Gesamtwachstum der Stadt. Dabei bilden außerhalb der Automobilbranche überwiegend kleine und mittelständische Unternehmen die Basis dieses Wirtschaftsbereiches. Als wichtiger Erfolg, das Image der Stadt Leipzig als Industriestandort wieder neu zu beleben, ist die Entscheidung der Porsche AG im Jahre 1999 zu bewerten, in Leipzig ein neues Montagewerk zu errichten. Bereits Ende 2002 war Produktionsstart. Seitdem wurde der Standort ständig erweitert. In den vergangenen drei Jahren erfolgte dabei der Ausbau vom bisherigen Montagewerk zum Vollwerk mit eigenem Karosseriebau und eigener Lackiererei. Die Zahl der Mitarbeiter stieg auf über 4.300. Ein weiterer herausragender Höhepunkt stellte im Jahre 2001 die Wahl Leipzigs als neuer Produktionsstandort eines Montagewerkes der BMW Group dar. Leipzig konnte sich dabei im Wettstreit mit über 200 Standorten des In- und Auslandes durchsetzen. Nach der Grundsteinlegung im Mai 2002 war im März 2005 Produktionsstart. Auch der BMW-Standort Leipzig wurde seitdem stetig ausgebebaut. Mit aktuell fast 5.300 direkt Beschäftigten entwickelte sich der Standort somit zum größten produzierenden Unternehmen der Stadt und der Region Leipzig. Mit dieser Ansiedlung hat Leipzig wichtige Prämissen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung gesetzt. Das Verarbeitende Gewerbe wird seine Stellung im Wirtschaftsgefüge der Stadt wieder deutlich erhöhen und einen entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung der ganzen Region ausüben. Unter Beachtung der zu erwartenden Synergien auf den Zulieferbereich wird die Zahl der Industriebeschäftigten weiter ansteigen. Zudem wurde mit dem Fahrzeugbau eine Industriebranche in der Stadt Leipzig etabliert, die bisher kaum von Bedeutung war. Anteil für die Branche „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ geschätzt, da aus Datenschutzgründen keine Umsatz- und Exportdaten zur Branche veröffentlicht werden!
Dienstleistungsgewerbe mit breitem Spektrum
Neben innovativen Unternehmen aus dem Industriesektor nimmt der Dienstleistungssektor eine immer bedeutendere Rolle ein. Früher eher unterrepräsentiert, hat er sich nach der Wiedervereinigung rasant entwickelt und seine Position ständig ausgebaut. Seit 1991 konnte das Dienstleistungsgewerbe inkl. der öffentlichen Verwaltung seinen Anteil an den Erwerbstätigen der Stadt Leipzig auf 86 Prozent erhöhen. Es hat sich ein neuer, breit gefächerter Dienstleistungssektor formiert. Bedeutende nationale und teilweise auch internationale Dienstleistungsunternehmen (u. a. Banken, Versicherungen, Unternehmensberatungen und Immobilienunternehmen) haben in Leipzig Repräsentanzen eröffnet. Aufgrund der hervorragenden geografischen Lage können von Leipzig aus die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bedient werden.
Einen Aufschwung konnte auch der Tourismus2 bzw. Geschäftsverkehr verzeichnen. Voraussetzung war der Neubau zahlreicher Hotels. Gab es im Jahre 1991 gerade einmal 3.500 Betten, so hat sich die Zahl der angebotenen Gästebetten bis 2020 auf über 21.000 mehr als versechsfacht. Insbesondere seit der Fußball-WM 2006 wurden in der Stadt mehrere neue Hotels eröffnet und auch aktuell wird eine Vielzahl von Beherbergungsstätten gebaut bzw. befindet sich in Planung. Leipzig konnte sich somit auf Rang 9 und somit in den „Top Ten“ der deutschen Übernachtungsmetropolen etablieren. Mit 3,60 Mio. Übernachtungen wurde 2019 ein neuer Übernachtungsrekord erzielt, bevor die Coronakrise dem kräftigen Aufschwung ein jähes Ende setzte. Aufgrund der starken Reiseeinschränkungen und Tätigkeitsverbote sank die Zahl der Übernachtungen drastisch auf weniger als zwei Millionen und damit auf das Niveau von 2009. Aufgrund der Coronabeschränkungen ist auch 2021 keine Erholung in Sicht, sodass viele Unternehmen um ihre Existenz bangen.
Mit dem Neubau eines leistungsfähigen Messegeländes und einer inhaltlichen Neuorientierung konnte auch die Leipziger Messe wieder wichtige Akzente für die Stadt im hart umkämpften nationalen und internationalen Messegeschäft setzen und eine erfolgreiche Entwicklung starten. Als von jeher bedeutendes Zentrum der Printmedien knüpft Leipzig aktuell wieder erfolgreich an diese Traditionen an und etablierte sich unter Beachtung der steigenden Rolle von visuellen und elektronischen Medien als wichtiger Medienstandort. Mit der Zentrale des Mitteldeutschen Rundfunks hat sich die Medienbranche in den vergangenen 15 Jahren zu einem wichtigen Bereich auch in Bezug auf die wirtschaftliche Gesamtentwicklung der Stadt entwickelt. Neben neuen Produktionsstätten des traditionellen Druckereigewerbes entstand direkt am Standort des Mitteldeutschen Rundfunks mit dem Mediencenter "media city" ein Gewerbekomplex für diverse mediennahe Produktions- und Dienstleistungsunternehmen. Laut einer Studie im Auftrag der Stadt Leipzig (Medien- und Kreativwirtschaft Leipzig 2017) waren im Jahr 2016 über 31.000 Personen in der Medienwirtschaft der Stadt tätig. Der Jahresumsatz der Branche betrug mehr als 2,7 Mrd. Euro.
Wie der Medienbereich ist auch der Hightech-Bereich Biotechnologie durch eine enge Verzahnung von Produktion und Dienstleistung gekennzeichnet. Mit der Eröffnung der BIO-CITY Leipzig, einem Biotechnologisch–Biomedizinischen–Zentrum, im Mai 2003 wurde eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung dieser Zukunftsbranche in der Stadt geschaffen. Dabei wird insbesondere das Augenmerk auf das enge Zusammenwirken von den vorhandenen Forschungseinrichtungen wie Universität, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur, Umweltforschungszentrum, Max-Planck-Institute und gewerblichen Unternehmen gelegt.
Zu den dynamischsten Dienstleistungsbranchen zählen die Unternehmen aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien. Auch ihre Zahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich erhöht. Den zahlreichen, meist jungen Unternehmen bietet Leipzig mit seiner modernen, hochleistungsfähigen Telekommunikationsinfrastruktur gute Standortbedingungen für ein erfolgreiches Wachstum.
Als weiterer Meilenstein kann der Zuschlag Leipzigs als Standort für das neue europäische Luftdrehkreuz der Deutsche Post-Tochter DHL gewertet werden. Damit erfuhr die Region einen deutlichen Imagegewinn als internationales Logistikzentrum. Derzeit sind über 5.700 Personen direkt bei DHL beschäftigt und ein weiterer Ausbau ist geplant. Der Frachtumschlag4 hat sich 2008 innerhalb eines Jahres mehr als vervierfacht und stieg auch im „Krisenjahr“ 2009 weiter an. 2016 hat dann der Frachtumschlag inkl. Postumschlag erstmals die 1 Mio. Tonnen-Grenze überschritten. Seitdem ist der Frachtumschlag weiter kräftig gestiegen. Ein besonders großer Zuwachs ist 2020 zu verzeichnen, als die Auswirkungen der Coronapandemie zu einem starken Anstieg des Online-Handels führten, wovon auch die Luftfrachtsparte profitierte. Mit 1,38 Mio. Tonnen legte das Frachtaufkommen 2020 gegenüber dem Vorjahr um fast 12 Prozent zu und erzielte einen neuen Rekordwert. Damit rangiert der Flughafen Leipzig/Halle hinsichtlich des Frachtumschlages nach Frankfurt (M.) und vor Köln/Bonn deutschlandweit an zweiter Stelle.
Wirtschaftliches Potenzial stützt sich auf breiten Branchenmix
In Anbetracht der derzeitigen und geplanten Aktivitäten sind die Zeichen der wirtschaftlichen Entwicklung Leipzigs auf eine weitere Stärkung insbesondere seiner Dienstleistungs- und Produktionsfunktion gestellt. Das Dienstleistungsgewerbe bleibt, schon aufgrund seiner Größe, auch weiterhin ein wichtiger Wachstumsbereich der Stadt, der durch die getätigten und geplanten Investitionen im Produktionsbereich eine zunehmende Unterstützung erfährt. Vor allem durch den Neubau der beiden Fahrzeug-Montagewerke der Porsche AG und BMW Group erhielt die Stadt einen deutlichen Wachstumsschub. Durch diese Ansiedlungen wurde die industrielle Basis der Stadt deutlich gestärkt. Die Synergie-Effekte aus diesen Investitionen wirken sich auch positiv auf die bisher dominierenden klein- und mittelständischen Unternehmen der Region aus. Damit repräsentieren neue, stabile Branchenschwerpunkte in der Industrie den Industriestandort Leipzig. Auch die aktuellen Aktivitäten der beiden Autobauer lassen auf ein weiteres Wachstum der Automobilbranche schließen. Sowohl die BMW AG als auch die Porsche AG haben ihre Standorte in den vergangenen Jahren stetig ausgebaut und mehrere hundert neue Arbeitsplätze geschaffen.
Der konsolidierte Industriebestand sollte, neben möglichen Neuansiedlungen von Unternehmen, auch weiterhin die Grundlage für die kommunale Standortpolitik bilden. Aufgrund der bestehenden Branchenvielfalt gilt es, sich auf bedeutende, zukunftsträchtige, innovative Industriebranchen zu konzentrieren, ohne die bestehende Branchenvielfalt als eine gewisse Standortstärke zu verringern. Neben dem deutlich dominierenden Fahrzeugbau zählen dazu vorwiegend der Maschinen- und Metallbau, die Nachrichtentechnik und Druckindustrie sowie die Medizin-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik. Weitere mittelständische Industriebetriebe sind im Umwelt- und Biotechnologiebereich tätig. Um diese genannten zukunftsträchtigen Branchen in der Region auszubauen und die nur wenig vorhandene industrielle Forschung der Unternehmen zu stärken, muss das technische und ingenieurtechnische Forschungspotenzial durch den Ausbau der technischen Fakultäten an Hochschulen und Universität sowie durch die Ansiedlung von Forschungsinstituten weiter erhöht werden. Gerade das Vorhandensein von industrieorientierter Forschung ist heutzutage ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung innovativer Unternehmen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung des produzierenden Bereiches wird sich auch das Dienstleistungsangebot in der Stadt sowohl quantitativ als auch qualitativ weiter erhöhen, da sich insbesondere für die unternehmensnahen Dienstleister neue Marktpotenziale ergeben. Mit Blick auf die Digitalisierung der Gesellschaft ergeben sich insbesondere für die Unternehmen der hiesigen IT-Branchen neue Wachstumspotenziale. Des Weiteren wird Leipzig durch die Ansiedlung von DHL seine Position als internationaler Logistikstandort weiter ausbauen.
Fußnoten
1Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder
2Quelle: Statistisches Landesamt Sachsen
3Anteil für die Branche „Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen“ geschätzt, da aus Datenschutzgründen keine
Umsatz- und Exportdaten zur Branche veröffentlicht werden!
4Quelle: Flughafen Leipzig-Halle
Ich möchte diesen Beitrag teilen