Sachsens Wirtschaft erwartet starkes Aufbruchssignal von neuer Bundesregierung
TOP-Forderungen der Betriebe im Freistaat geben Marschrichtung vor
Chemnitz, Dresden, Leipzig 7. Mai 2025. Ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition hat eine neue Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen. Angesichts der strukturellen Krise steht sie vor großen Aufgaben. Was in der Wirtschaftspolitik am dringendsten angepackt werden muss, haben die Sächsischen Industrie- und Handelskammern bei ihren Mitgliedsunternehmen im April abgefragt.

„Jetzt ist schnell entschlossenes Handeln notwendig, um die deutsche Wirtschaft aus dem Tal zu holen. Die neue Bundesregierung hat jetzt die Chance, ein starkes Aufbruchssignal zu senden: für mehr Planungssicherheit, für mehr Innovationen und Investitionen – und für mehr unternehmerische Freiheit“, fasst Max Jankowsky, Präsident der IHK Chemnitz und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Sächsischen Industrie- und Handelskammern die Erwartungen
der sächsischen Wirtschaft zusammen.
Viele zentrale Maßnahmen, die dafür notwendig sind, stehen bereits im Koalitionsvertrag. Umso wichtiger ist es jetzt, schnell die richtigen Prioritäten zu setzen. Aus Sicht der Wirtschaft müssen nun die Vorhaben angegangen werden, die den größten positiven Effekt für Wachstum, Beschäftigung und Investitionsdynamik entfalten können.
Im Ergebnis müssen nun die folgenden Punkte schnellstens umgesetzt werden, die die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) in einem 100-Tage-Programm zusammengefasst hat:
Wettbewerbsfähige Energiepreise ermöglichen
- Stromsteuer auf europäisches Minimum senken: Die hohen Energiekosten belasten die deutsche Wirtschaft. Die Senkung der Stromsteuer muss daher schnell auf alle Branchen ausgeweitet werden und zum 1. Juli 2025 in Kraft treten.
- Übertragungsnetzentgelte halbieren: Die Bundesregierung muss den drastischen Anstieg der Netzentgelte durch einen staatlichen Zuschuss zu diesen Infrastrukturkosten abfedern – sie sollte kurzfristig beschlossen und zum 1. Januar 2026 wirksam werden.
- CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCUS) ermöglichen: Die Bundesregierung sollte kurzfristig CCUS ermöglichen und CO₂-Exporte erlauben. Beides ist unabdingbar, damit vor allem energieintensive Unternehmen die vorgeschriebenen klimapolitischen Ziele erreichen können.
Mehr Tempo durch Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung
- Aufschwung-Gesetz 2025: Überbordende Bürokratie muss systematisch abgebaut werden. Hunderte Vorschläge der Wirtschaft liegen vor. Die Einführung eines umfassenden „Aufschwung-Gesetzes" zur Reduzierung von bürokratischen Belastungen der Wirtschaft um mindestens 25 Prozent wäre ein sichtbares Signal. Die „One-in-two-out"-Regel sollte zudem zur Begrenzung neuer Pflichten schnell eingeführt werden – und dabei auch für Umsetzungsakte von EU-Recht gelten.
- Beschleunigungspakt von Bund und Ländern umsetzen: Alle 150 Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sollten in einem Artikelgesetz gesetzlich verankert werden. Fristverkürzungen, Stichtagsregelungen, Digitalisierung und Verfahrensvereinfachungen braucht es für alle Infrastrukturen sowie für industrielle und gewerbliche Anlagen. Dabei sollten nicht nur erneuerbare Energien von „überragendem öffentlichen Interesse" sein, sondern beispielsweise auch der Ausbau der Glasfaser- und Mobilfunknetze.
- Deutsches Lieferkettengesetz abschaffen: Aufgrund der EU-Regelungen sollte das nationale Lieferkettengesetz entfallen, um Wettbewerbsnachteile zu verhindern.
- EU-Vorgaben reduzieren: Parallel sollte sich die Bundesregierung für weitreichende Entlastungen für die Unternehmen in der Breite bei den EU-Regelungen zu Berichtspflichten und bei Sorgfaltspflichten einsetzen – Schwellenwerte, Ausnahmen für Zulieferer in der EU und Vermeidung von Trickle-down-Effekten, also von mittelbaren Belastungen auch für den breiten Mittelstand in Deutschland, sind unbedingt erforderlich.
- Energieeffizienz-, Energiedienstleistungs- und Gebäudeenergiegesetz entschlacken: Die Gesetze sollten auf die europäischen Mindestvorgaben bzw. den früheren Stand zurückgeführt werden. Komplizierte Umsetzungspläne, Abwärme-Meldepflichten und praxisuntaugliche Einsparvorgaben müssen wegfallen.
Steuerliche Anreize für Investitionen treffen
- Degressive Abschreibung rückwirkend zum 1. Januar 2025 einführen: 30 Prozent degressive AfA für Ausrüstungsinvestitionen erhöhen die Liquidität in den Unternehmen und ermöglichen eine deutliche Zunahme bei den privaten Investitionen.
- Körperschaftsteuer senken: Die schrittweise Senkung ab 2028 um insgesamt fünf Prozentpunkte kommt zwar erst später, sie sollte aber wie angekündigt schon jetzt Gesetz werden, um das Vertrauen in zukünftige Steuerentlastungen zu stärken.
- Thesaurierungsbegünstigung verbessern: Parallel sollten auch erste Schritte zur vereinfachten Besteuerung von im Unternehmen einbehaltenen Gewinnen erfolgen. Das wäre für Personenunternehmen, die in Deutschland rund 90 Prozent aller Unternehmen ausmachen, ein wichtiges Signal.
Digitalisierung als Booster nutzen
- Digitalisierung muss sicher sein: Die praxisnahe Umsetzung der NIS2-Richtlinie zur Stärkung der Cybersicherheit muss bürokratiearm erfolgen. Betriebe müssen frühzeitig unterstützt werden, um Cyberrisiken zu minimieren.
- Mehr künstliche Intelligenz wagen: Die Bundesregierung sollte kurzfristig die verantwortliche Behörde für den AI-Act benennen, die eine praxistaugliche und einheitliche Auslegung sicherstellt. Die Unternehmen brauchen schnell einen klaren rechtlichen Rahmen für KI-Anwendungen. Für kleine und mittlere Unternehmen sind außerdem Reallabore wichtig, in denen sie neue Anwendungen sicher ausprobieren können.
- Sicheren Datenaustausch fördern: Die Bundesregierung sollte ein Pilotprojekt initiieren, in dem über Vermittler der sichere und vertrauenswürdige Austausch von Daten erprobt wird – was zugleich neue digitale Geschäftsmodelle ermöglicht.
Fachkräftesicherung durch Sofortmaßnahmen
- Ältere Erwerbstätige stärken: Eine unkomplizierte befristete Weiterbeschäftigung im Rentenalter beim bisherigen Arbeitgeber sollte umgehend in Kraft treten.
- Arbeitszeit flexibler gestalten: Die wöchentliche statt täglicher Höchstarbeitszeit und eine Vertrauensarbeitszeit ohne Erfassungspflichten sollten sofort umgesetzt werden.
- Berufliche Bildung attraktiver gestalten: Das Aufstiegs-BAföG als Anreiz für die Höhere Berufsbildung sollte zügig weiter verbessert werden – durch eine zweite Förderung auf derselben Fortbildungsstufe sowie schlankere Antragsverfahren.
- Zuwanderung von Fachkräften erleichtern: Nach erfolgreicher Ausbildung oder Studium sollte ausländischen Absolventen einer Berufsausbildung oder eines Studiums in Deutschland automatisch ein Aufenthaltstitel erteilt werden, der die sofortige Beschäftigung erlaubt.
Jenseits dieser wichtigen ersten Impulse brauchen die Wirtschaft und das Land insgesamt haushaltspolitische Verlässlichkeit und Solidität. Eine schnelle Verabschiedung des Bundeshaushalts 2025 ist daher ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Das Gesetz zur Ausgestaltung des kreditfinanzierten Infrastrukturfonds muss ebenfalls schnell in Kraft treten und eine glaubwürdige Ausrichtung auf zusätzliche Infrastrukturinvestitionen haben.