„Warum steht die Baubranche 2023/2024 vor besonderen Herausforderungen?“
26. Juni 2023In dieser Woche antwortet Christian Sablottny, Branchenberatung Industrie I Bau I Landwirtschaft, auf unsere FRAGE DER WOCHE:
„Die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft haben sich markant verschlechtert und trüben die Aussichten für die Baukonjunktur in 2023 deutlich ein“, sagt Reinhard Quast, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes.
Seit einigen Monaten verzeichnet das Baugewerbe rückläufige Auftragseingänge. Die Baubranche erwartet für dieses und für das nächste Jahr fallende Umsätze.
Einige Mitgliedsunternehmen klagen bereits jetzt über Umsatzeinbrüche zwischen 50 und 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nach Jahren des Wachstums haben sich die Aussichten für 2023 stark eingetrübt. Diese Entwicklung wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch 2024 negative Auswirkungen auf die Baubranche haben.
Mit Blick auf den in vielen Städten fehlenden bezahlbaren Wohnraum sind die möglichen Auswirkungen sehr kritisch einzuschätzen. Die Wohnungsbauziele der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr dürften für das Jahr 2023 und 2024 weit verfehlt werden. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes verdeutlicht dies auch mit aktuellen Zahlen: Das Auftragsvolumen ist im ersten Quartal 2023 um mehr als ein Drittel geschrumpft. Der Verband erwartet im Wohnungsbau die Fertigstellung von rund 280.000 Wohnungen in diesem und rund 245.000 Wohnungen im nächsten Jahr.
Das Sorgenkind Nummer eins ist primär der Wohnungsbau.
Aber auch die beiden Bausparten Wirtschaftsbau und öffentlicher Bau sind rückläufig, wie unter anderem die sinkende Nachfrage nach Büro- und Fabrikgebäuden zeigt.
Die Zahl der Baugenehmigungen und die Nachfrage nach Immobilienkrediten ist stark eingebrochen. Die Bauindustrie erwartet für 2023 einen weiteren Rückgang um sechs Prozent. Der Mix von steigenden Energie- und Materialpreisen sowie Finanzierungs- und Lebenshaltungskosten wirkt sich zunehmend auf die Nachfrage nach Bauleistungen aus. Die Branchenverbände verweisen auf sinkende Eigenkapitalquoten und zurückgehende Investitionen bei den Unternehmen. Die Zinsen haben sich zum Teil verdreifacht, durch die Leitzinsanhebungen der EZB innerhalb kurzer Zeit auf aktuell 3,75 Prozent, um die hohe Inflation zu bekämpfen.
Dadurch ist die Investitionsbereitschaft bei Bauherren und Unternehmen im Wohnungsbau nachhaltig gesunken. Die Branche benötigt jetzt Investitionsanreize durch unkomplizierte Förderbedingungen für den Wohnungsbau sowie öffentliche Investitionen. Wenn sich die Lage am Bau nicht schnell verbessert, kann dies vermehrt zu Kurzarbeit bzw. Entlassungen führen und es kommt möglicherweise verstärkt zu Unternehmensinsolvenzen.