Informationen und Hintergründe zum kommenden KI-Rechenzentrum Leipzig
03. Dezember 2024In Leipzig entsteht ein KI-Rechenzentrum, welches als Teil der Wissenschaftsregion Leipzig auch den Wirtschaftsstandort stärken wird. Zu den Hintergründen sprachen wir mit dem Wissenschaftlichen Manager des Projektes Sebastian Frericks und mit Dieter Lehmann, CIO der Universität Leipzig. Dabei kamen unter anderem Nachhaltigkeitsaspekte des Projektes, Sicherheitsbedenken, Kosten, Mitwirkungsmöglichkeiten, Partizipationen und das Thema Fachkräfte zur Sprache.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Lehmann und Herr Frericks. Sie, Herr Frericks, sind der Wissenschaftliche Manager des KI-Rechenzentrums Leipzig und Sie, Herr Lehmann, der Chief Information Officer (CIO) der Universität Leipzig. Das KI-Rechenzentrum Leipzig soll Ende 2026/ Anfang 2027 auf dem Gelände der Alten Messe fertiggestellt sein und ist derzeit mit einem Kostenrahmen von 60 Millionen Euro veranschlagt. Wo kommt das Geld her?
Dieter Lehmann: Mit der Transformation von fossilen zu erneuerbaren Energien stehen die Kohle-Regionen vor einem großen Strukturwandel. Eine dieser Regionen ist das Mitteldeutsche Revier rund um Leipzig. Der Bund und der Freistaat Sachsen unterstützen diesen notwendigen Strukturwandel und die damit verbundenen Projekte in Sachsen. Das KI-Rechenzentrum Leipzig ist eines dieser Strukturwandelprojekte, welches die Region Leipzig für die Zukunft fit macht. Die Mittel stammen aus einer Förderung auf Basis des Investitionsgesetzes Kohleregionen (InvKG).
WIRTSCHAFT ONLINE: Sie, Herr Dieter Lehmann, sind der Direktor des Universität-Rechenzentrums. Nun ist die Universität Leipzig Teil des Wissenschaftsstandorts Sachsen, der wiederum Teil des Wirtschaftsstandorts ist. Wie können Wirtschaftstreibende an dem Projekt partizipieren?
Dieter Lehmann: Das Projektziel ist die Errichtung eines skalierbaren KI-Rechenzentrums für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Leipzig. Drei Nutzungsbereiche sollen hierbei geschaffen werden: Die Methodenentwicklung zur Erforschung von KI; anwendungsorientierte Kooperationsprojekte von Wirtschaft und Wissenschaft im KI-Bereich und die Ausbildung von IT-Fachkräften und KI-Experten.
Sebastian Frericks: Das KI-Rechenzentrum Leipzig wird als zentrale IT-Infrastruktur die Möglichkeit bieten, neben der Universität Leipzig auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die öffentliche Verwaltung und Wirtschaftstreibende der Region mit Services und Angeboten zu versorgen. Der Fokus liegt dabei auch auf der Kooperationsfähigkeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Geplant sind neben IT-Diensten auch die Möglichkeit zur Vernetzung und zur gemeinschaftlichen Arbeit an Projekten. Die Forschung steht dabei immer im Vordergrund.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wir reden von einer IT-Nutzfläche von 1.000 Quadratmetern. Was bedeutet das konkret? Ist das Gebäude so groß oder die reine digitale Infrastruktur? Mein ehemaliger Kleingarten hatte 300 Quadratmeter, das Rechenzentrum wird also eher ein etwas Kleineres, verglichen mit den Rechenzentren, die beispielsweise OpenAI in den USA plant?
Sebastian Frericks: Die IT-Nutzfläche von ca. 1.000 Quadratmetern ist die Raumfläche, auf der unsere IT-Infrastrukturen, wie zum Beispiel ein KI-Cluster, Virtualisierungs-, Speicher- und Archivinfrastrukturen installiert werden können. Ergänzend bedarf es für den Betrieb der IT-Räume weiterer Flächen für Klimatisierung, Stromversorgung, Abwärmenutzung, Gebäudeleittechnik und vieles mehr. Die von Ihnen genannte IT-Nutzfläche ist groß genug, um fast 300 Server-Racks zu stellen und damit den notwendigen Bedarf der Wissenschaftsregion Leipzig der nächsten Jahre zu decken. Entscheidend ist jedoch, welche IT-Infrastrukturen letztendlich in dieser Nutzfläche installiert und in Betrieb genommen werden und wie diese die Forschung in der Region vorantreiben können.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die Fläche gehört dem Freistaat Sachsen, ist also sicher. Von den 60 Millionen Euro sollen 15 Millionen Euro in die Computertechnik investiert werden. Was für Computer sind das überhaupt? Und wo kommen diese her?
Sebastian Frericks: Die Investition in die Computertechnik aus den Projektmitteln wird für die Basis-Infrastruktur und weitere Infrastrukturen des Wissenschaftlichen Rechnens inklusive eines KI-Clusters genutzt. Das KI-Cluster wird zudem an hocheffiziente Speicherinfrastrukturen für High Performance Computing und weiteren Speicher dediziert für Forschungsdatenmanagement angebunden. Zusätzlich entsteht ein Hochsicherheitsraum mit IT zur Verarbeitung sensibler Forschungsdaten. Ergänzt wird die spezifische Forschungsinfrastruktur durch Virtualisierung, Backup- und Archivkapazitäten. Die IT wird parallel zur Fertigstellung des Gebäudes ausgeschrieben und anschließend in Betrieb genommen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Solch ein KI-Rechenzentrum muss aber auch gewartet werden. Haben wir da die Fachleute dafür? Wo kommen diese her?
Dieter Lehmann: Das KI-Rechenzentrum wird aktuell durch den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) geplant und errichtet und im Anschluss an die Universität Leipzig als Nutzerin übergeben. Der Betrieb des Gebäudes wird ab diesem Zeitpunkt durch die Universität beziehungsweise für die IT-Infrastrukturen durch das Universitätsrechenzentrum sichergestellt. Am Rechenzentrum sind bereits heute viele Kolleginnen und Kollegen mit der Betreuung von großen IT-Infrastrukturen vertraut.
WIRTSCHAFT ONLINE: Auf der Homepage der Universität Leipzig las ich, dass die Leistung des KI-Rechenzentrums Leipzig modular auf 4,4 MW (MegaWatt) ausbaubar ist. Zum Vergleich: Die Leistung einer typischen Hauptkühlpumpe eines Kernkraftwerkes beträgt 5 MW. Wo soll denn die Energie für das KIRZL herkommen? Und wie sicher ist die Energiezufuhr?
Sebastian Frericks: Das KI-Rechenzentrum Leipzig wird modular weiterentwickelt. Mit Fertigstellung des Gebäudes wird eine maximale IT-Leistung von 2,4 MW realisiert, die je nach Bedarf in den nächsten Jahren auf die besagten 4,4 MW erweitert werden kann. Zur Einordnung des Stromverbrauchs ein Vergleich zur Energieproduktion: Ein einziges Windrad (on-shore) hat bereits heute eine Nennleistung von bis zu 6 MW, auf dem Meer (off-shore) sogar bis zu 15 MW. Bei entsprechender Auslastung würde daher bereits ein Windrad zur Deckung des Energiebedarfs ausreichen.
Dieter Lehmann: Die Universität Leipzig fühlt sich als öffentliche Einrichtung der Nachhaltigkeit verpflichtet, hat zuletzt erst eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen und bezieht bereits seit Januar 2023 vom SIB zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Zusätzlich wird eine Zertifizierung des KIRZL mit dem Umweltzeichen Blauer Engel angestrebt, welches nur an besonders nachhaltig betriebene Data Center vergeben werden kann.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wie sicher ist das gesamte KI-Rechenzentrum Leipzig? Wobei meine Frage auf den Standort abzielt, aber auch die Cybersicherheit beinhaltet. KI-Rechenzentren, möglicherweise mit hochsensiblen Datensammlungen, sind ja optimale Angriffsziele von Cyberkriminellen …
Sebastian Frericks: Der Standort des KI-Rechenzentrums Leipzig in der Nähe der Alten Messe wurde im Rahmen einer detaillierten Analyse festgelegt. Darin wurden auch Themen wie Naturkatastrophen, Erschütterungspotenzial, Entfernung zum Backup-Standort analysiert. Das beste Ergebnis erzielte der jetzt genutzte Standort an der Zwickauer Straße. Neben der Frage des Standorts spielt die Sicherheit aber auch im alltäglichen Betrieb eine große Rolle. Das KI-Rechenzentrum Leipzig wird die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen in der Bauausführung und dem späteren Betriebsablauf für die Zertifizierung nach dem BSI-Grundschutz und als Trusted Site Infrastructure (TSI) des TÜV-Nord treffen. Hierdurch können auch sensible Forschungsdaten zum Beispiel innerhalb des Hochsicherheitsraums des KI-Rechenzentrums Leipzig, unter höchsten Sicherheitsstandards verarbeitet werden.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wer sich mit der KI-Technologie beschäftigt, die derzeit, laut der KI-Linguistin Xenia Klinge, eher extrem hochfunktionales Datenauswerten ist, kommt irgendwann zum Thema Quantencomputer … Wie stark ist diese Technologie beim Prpjekt mitgedacht? Sie würde ja, von ihrer Grundstruktur her, das sich derzeit entwickelnde KI-Konzept revolutionieren.
Dieter Lehmann: Als Rechenzentrum beschäftigen wir uns fortwährend mit neuen Rechentechnologien und Quantencomputer gehören selbstverständlich dazu. Mit Forschungsprojekten, wie dem BMBF-Projekt „CoGeQ“ und einem aus der Universität Leipzig entstandenen Start-Up SaxonQ, welches dieses Jahr auch drei IQ Innovationspreise Mitteldeutschland erhalten hat, wird die Innovation der Quantentechnologie bereits seit geraumer Zeit durch die Universität Leipzig begleitet.
Sebastian Frericks: Technologische Lebenszyklen der IT sind grundsätzlich kürzer als die Lebensdauer eines Data Centers. Für das Projekt gilt daher der Grundsatz, dass wir mit der baulichen Struktur des Gebäudes möglichst flexibel auch zukünftig auf Änderungen in der Evolution der IT-Technik reagieren können. Daher werden die notwendigen Technik-Bereiche so ausgelegt, dass auch Anpassungen jederzeit möglich sind.
WIRTSCHAFT ONLINE: 45 Millionen Euro kostet allein das Gebäude. Hier sind auch Baufirmen sowie Gewerke wie Elektronik etc. in den Prozess involviert. Ist die regionale Wirtschaft hier angesprochen oder wird der Bau mit den weltweit agierenden Großplayern umgesetzt?
Dieter Lehmann: Die Bauausführung wird über eine Ausschreibung des Freistaates Sachsen erfolgen. Diese öffentliche Ausschreibung steht allen interessierten Firmen offen, die die Kriterien erfüllen. Die Bauausführung ist über einen Generalunternehmer geplant, der auf Grundlage der Entwurfsplanung die Arbeiten durchführen wird. Mit einer Ausschreibung der Bauausführung ist frühestens im Jahr 2025 zu rechnen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wissenschaftsminister Gemkow sagte im Interview, dass das KI-Rechenzentrum Leipzig ein Puzzleteil ist. Heißt, dass ein großer Teppich, ein Netzwerk aus Rechenzentren, entsteht. Wo kommen denn die anderen KI-Rechenzentren hin? Und wie ist hier die Terminierung?
Sebastian Frericks: Das KI-Rechenzentrum Leipzig ist ein Puzzlestück für die Wissenschaftsregion Leipzig. Es treibt die Vernetzung der forschungsinteressierten Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung voran und schafft Möglichkeiten der Anwendung von beispielsweise KI-Methoden, die ohne die KI-Rechenzentrum Leipzig-Infrastrukturen schlicht nicht möglich wären. Mit der Ansiedlung weiterer Wissenschaftseinrichtungen, wie etwa dem Center for Transformation of Chemistry (CTC), ebenfalls Teil der Strukturwandelinitiative, wächst das Puzzle der Wissenschaftsregion Leipzig weiter zusammen. Wir stehen auch für Kontakte weiterer interessierter Partner aus der Wissenschafts- und Wirtschaftsregion, die am KI-Rechenzentrum Leipzig partizipieren möchten, gerne persönlich zur Verfügung.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Lehmann und Danke, Herr Frericks, für Ihre Zeit, Ihre Antworten und Ihr Engagement für den Standort Leipzig.
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