Robert Künne und Johanna Tschiersch von der Lerchenbergmühle stehen im Feld zwischen Sonnenblumen
Gespräch mit Johanna Tschiersch von der Lerchenbergmühle in Jesewitz

Am liebsten ist uns natürlich die Direktvermarktung

08. Januar 2024

Die regionale Landwirtschaft fährt mit innovativen Lösungen für dringende Problemstellungen auf. Gerade die in Jesewitz beheimatete Lerchenbergmühle ist hier Vorreiterin in Sachen ökologischer Landbau, nimmt aber auch neue Vertriebswege in ihr Portfolio auf. WIRTSCHAFT ONLINE sprach mit Johanna Tschiersch.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ihr seid erster Praxis-Partner des Kompetenzzentrums Ökologischer Landbau. Was bedeutet das konkret? Praxis-Partner klingt gut, jedoch welche Praxis bringt Ihr auf welche Art ins Kompetenzzentrum Ökologischer Landbau des Freistaates Sachsen ein?

Johanna Tschiersch: Ja, wir freuen uns natürlich sehr darüber und sind jetzt seit ziemlich genau einem Jahr dabei. Am 07. Dezember 2022 konnten wir Landwirtschaftsminister Wolfram Günther bei uns vor Ort zur Vertragsunterzeichnung begrüßen; inzwischen gibt es erfreulicherweise viele verschiedene Praxispartner aus diversen Bereichen.

In unserem Fall bieten wir eine Kombination aus landwirtschaftlicher und mühlereitechnischer Praxis an. Robert Künne, Mitgesellschafter in der Lerchenbergmühle und mit mir gemeinsam Geschäftsführer, ist von Haus aus seit vielen Jahren überzeugter Bio-Landwirt. Er kommt also direkt aus der Praxis. Für alle Gesellschafter gilt: wir haben alle einen Background in Familien- und/oder eigenen Unternehmen.

Inhaltlich arbeiten wir mit dem Ökokompetenzzentrum hauptsächlich am Thema Gemengeanbau. Das bedeutet, dass nicht mehr nur eine Kultur auf einer Fläche angebaut wird, sondern dass hier mindestens zwei Kulturen kombiniert werden. Also: dass etwa eine Getreide- mit einer Leguminosenart, z. B. Weizen und Erbse, oder Hafer und Erbse, gemeinsam auf ein Feld kommen. Beide Arten unterstützen sich gegenseitig. Das Getreide ist zum Beispiel eine sogenannte Stützfrucht für die Erbse, die Erbse wiederum bildet als Leguminose in Symbiose mit Bakterien Stickstoff im Boden.

Das ist jetzt ein klassisches Beispiel, aber hier gibt es diverse Ansätze in wissenschaftlicher Praxis und Theorie zu weiteren positiven Eigenschaften, die zukünftig untersucht werden müssen. Auch, beispielsweise gerade im Hinblick auf eine resiliente, regionale Landwirtschaft unter den sich ändernden Klimabedingungen. Dafür gibt es dann allerdings einige neue Thematiken und Probleme, was Reinigung und Sortierung gemeinsam angebauter Sorten angeht, bevor sie zur Weiterverarbeitung oder in den Handel kommen.

Robert ist als Landwirt also ganz praktisch auf dem Feld aktiv und wir als Mühle mit Dienstleistungszentrum für Bio-Landwirtschaft stellen unser Maschinenportfolio und unser Know-how zur Verfügung und testen verschiedenste Kombinationen und Parameter durch. Es muss ja nicht nur technisch funktionieren, sondern final auch betriebswirtschaftlich Sinn ergeben.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wie partizipiert ihr selbst an der Zusammenarbeit?

Johanna Tschiersch: Die Lerchenbergmühle hat neben dem klassischen Thema Getreide ganz klar auch die Aufbereitung und Veredelung von Leguminosen, also Hülsenfrüchten (Erbsen, Bohnen, Linsen, Ackerbohnen, Kichererbsen, Lupinen, Soja etc.) im Konzept. Wir möchten die regional angebaute Hülsenfrucht wieder salonfähig machen, da sie ernährungsphysiologisch viel zu wertvoll ist, um, wie leider meist, nur im Tierfutterbereich Anwendung zu finden.

Also ist die Kombination Getreide-Hülsenfrucht grundsätzlich für uns spannend. Wir profitieren von einem breiteren Know-how, wir können Dinge ausprobieren, Daten sammeln und werden dabei unterstützt. Und natürlich bekommen wir durch eine solche Zusammenarbeit viel mehr Reichweite und Zugang zu Veranstaltungen etc., welche wir sonst vielleicht nicht so schnell in diesem Umfang gehabt hätten.

Ich möchte an dieser Stelle auch betonen, dass im Kompetenzzentrum tatsächlich auch Menschen mit Kompetenz sitzen. Alle Kollegen und Kolleginnen, mit denen wir bisher zusammengearbeitet haben, kommen ebenfalls aus der Praxis und aus der Branche. Das findet man ja durchaus nicht immer so vor, wenn man mit Institutionen zusammenarbeitet…

Wir bauen also unser Wissen und unsere Kenntnisse aus und können diese dann wiederum für unsere Kundinnen und Kunden einsetzen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Gemeinsam mit der Universität Kassel verfolgt ihr in einem Verbundprojekt alternative Vertriebswege. Kannst du uns da mehr darüber erzählen?

Johanna Tschiersch: Das ist zufällig ein weiteres Projekt der Uni Kassel, welches in Leipzig und Umland durchgeführt wird. Hier ist allerdings der superaktive Thomas Marbach von der Kochanstalt federführend und wir stehen Thomas hier natürlich jederzeit zur Verfügung.

Du meinst aber bestimmt das Projekt „VORWERTS“, ebenfalls durch die Uni Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, initiiert. Hier sind wir dabei und es geht auch um das Thema Gemengeanbau. Die Kasseler gehen allerdings noch einen Schritt weiter. Mit dem Ökokompetenzzentrum schauen wir, dass Informationen zu Anbau, Verarbeitung und Veredelung gesammelt und den sächsischen Landwirtinnen, Landwirten, Produzentinnen und Produzenten zur Verfügung gestellt werden. Die Kasseler haben in ihrem Forschungsbudget zusätzlich eingeplant, das Ganze auch bis zum privaten Endkunden zu bringen.

Es wird also, auch in Leipzig, im neuen Jahr (2024) tolle innovative Produkte bei ausgesuchten Bäckereien geben. Am Ende muss es bei allem Idealismus auch einfach gut schmecken, um die Endverbraucherenden mit ins Boot zu holen. Da sind wir frohen Mutes. Aber ich will hier noch nicht zu weit vorgreifen, wir machen gern nochmal ein Interview mit euch, wenn es so weit ist…. (lacht)

WIRTSCHAFT ONLINE: Welche alternativen Vertriebswege eröffnen sich für euch?

Johanna Tschiersch: Am liebsten ist uns als regionalem Handwerks- und Gewerbebetrieb natürlich, wie sicher vielen, die Direktvermarktung unserer Produkte. Wir sind jedoch erfahren genug, um auch offen in diverse andere Richtungen zu sein. Wir haben das große Glück, dass Leipzig eine sehr interessierte und aktive Bio-Community hat, sowohl von der Akteurs- als auch von der Kundinnen- und Kundenseite. Daher sind wir mit einigen spannenden Kolleginnen und Kollegen vor Ort im Gespräch.

An dieser Stelle gern auch noch ein bisschen Werbung: Zum Fest brachten wir zum Beispiel unsere erste Weihnachtsedition mit einheimischem Vollkornmehl, quasi neben der Mühle gewachsen, dann von uns verarbeitet, mit Liebe verpackt und ganze 20 km in die Stadt gefahren, heraus. Wer mehr wissen möchte, kann gern auf Facebook, Instagram oder unserer Homepage nachsehen oder uns kontaktieren. Dort ist auch allgemein zu verfolgen, was wir momentan so tun.

WIRTSCHAFT ONLINE: Solche Vertriebswege aufzubauen, braucht zuvorderst natürlich Zeit – aber auch Manpower, heißt Arbeitskräfte. Wie macht ihr das in der Lerchenbergmühle?

Johanna Tschiersch: Nun ja… vermutlich wie alle Start-ups. Die Work-Life-Balance aller Gesellschafterinnen und Gesellschafter liegt seit Beginn dieses Projektes noch klarer auf der Work-Seite und alle geben, neben ihren anderen Jobs, was sie können. Eine 40-Stunden-Woche hat niemand von uns. Aber da wir alle, wie schon gesagt, bereits aus einem eigenverantwortlichen Arbeitsbereich kommen, wussten wir, worauf wir uns einlassen. Wobei der komplette Neuaufbau eines solchen Unternehmens doch immer wieder ganz neue, spannende (…) Details mit sich bringt. Am Ende ist es aber auch absolut motivierend, nach der ganzen „Vorbereitungszeit“ zu sehen, wie die Rädchen nun nach und nach alle ineinandergreifen!

Allerdings gab es tatsächlich bisher bereits mehrere sehr motivierte, interessierte und sogar auch noch gut ausgebildete junge Menschen, die auf uns zugekommen sind. Das ist einerseits natürlich in der aktuellen Situation ein absoluter Glücksfall, andererseits sind wir der Überzeugung: mit einem etwas moderneren Unternehmensansatz, der Möglichkeit von Homeoffice, relativ flachen Hierarchien und natürlich mit dem Thema Nachhaltigkeit finden wir die richtigen Leute und sie finden uns. Aktuell sind wir noch mitten im Aufbau, beziehungsweise in einer Art Muster- und Probebetrieb. Wenn es im kommenden Sommer dann richtig losgeht, schauen wir weiter.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, liebe Johanna, für deine Zeit und dein Engagement.

Johanna Tschiersch: Ich danke dir für die Möglichkeit, uns hier vorzustellen!

 

Zum Shop der Lerchenbergmühle

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen die Redaktion der WIRTSCHAFT ONLINE gerne weiter.

T: 0341 1267-1128
E: redaktion@leipzig.ihk.de

Ähnliche Artikel

Foto von Jan Benzien für Menschen der Wirtschaft MENSCHEN DER WIRTSCHAFT

Jan Benzien

24. April 2024

In unserer Serie „Menschen der Wirtschaft“ stellen wir Persönlichkeiten vor, die der regionalen Wirtschaft Impulse geben. In dieser Woche ist dies Jan Benzien, Inhaber und geschäftsführender Gesellschafter der Stadthafen Leipzig GmbH.

Jetzt lesen
Menschen der Wirtschaft: Stefania Abbondi MENSCHEN DER WIRTSCHAFT

Stefania Abbondi

17. April 2024

In unserer Serie „Menschen der Wirtschaft“ stellen wir Persönlichkeiten vor, die der regionalen Wirtschaft Impulse geben. In dieser Woche ist dies Stefania Abbondi, Sponsoring- und Fundraising-Managerin der Oper Leipzig sowie CEO bei Mama Grow und Känguru Salsa.

Jetzt lesen
Kristian Kirpal IHK zu Leipzig-Präsident Kristian Kirpal

Bekenntnis zu den Werten des Grundgesetzes, der Rechtsstaatlichkeit und Meinungsvielfalt

25. März 2024

Die Vollversammlung der IHK zu Leipzig hat, bezogen auf den derzeitigen Diskurs in Gesellschaft und Politik, wichtige Grundsätze formuliert. Präsident Kristian Kirpal äußert sich im Interview zu den Werten des Grundgesetzes, extremistischen Positionen, Meinungsvielfalt und Rechtsstaatlichkeit.

Jetzt lesen