Feige Matthias
Interview zur Außenwirtschaft

„Die Herausforderungen wachsen täglich.“

18. April 2023

Gespräch mit Matthias Feige, Geschäftsfeldmanager International der IHK zu Leipzig

Gerade für Unternehmen im Kammerbezirk der IHK zu Leipzig, die sich auf internationalem Parkett tummeln, sind die jetzigen Zeiten unsicher geworden. Die geopolitischen Spannungen bringen Unruhe ins Geschäft, Sanktionen und Handelshemmnisse werden immer öfter zu Mitteln in der politischen Auseinandersetzung zwischen den Blöcken.

Matthias Feige, Geschäftsfeldmanager International bei der IHK zu Leipzig, hat die Entwicklungen permanent im Blick und agiert im Sinne der regionalen Unternehmen, vernetzt und informiert. WIRTSCHAFT ONLINE sprach mit ihm:

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Matthias Feige. Derzeit ist das Thema „Resilienz der Wirtschaft in Zeiten geopolitischer Spannungen“ ganz oben auf der Agenda. Die aktuelle Umfrage „Going International“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), an der sich 2.400 Betriebe beteiligten, bearbeitet das Thema ebenfalls. Aufgrund der diversen geopolitischen Spannungen kommt es nachgewiesenermaßen zu einer Erhöhung von Handelshemmnissen, gerade im internationalen Geschäft. Wie hoch ist denn der Einfluss der Handelshemmnisse auf die Unternehmen? Wie viele – gern prozentual – Unternehmen spüren die Sanktionen unterschiedlichster Art?

Matthias Feige: Die Hürden sind vielfältig: Knapp die Hälfte der Unternehmen (47 Prozent), die sich an der deutschlandweiten Umfrage beteiligt haben, nennt lokale Zertifizierungsanforderungen als zentrale Barrieren im Auslandsgeschäft. Hierbei verlangen einige Länder zusätzliche Prüfungen von ausländischen Betrieben. Daneben erhöhen bei 42 Prozent der Unternehmen verstärkt Sicherheitsanforderungen den finanziellen und zeitlichen Aufwand für das internationale Geschäft. Ein Fünftel (19 Prozent) der Unternehmen sieht sich darüber hinaus durch Local-Content-Bestimmungen diskriminiert, also durch Vorgaben, die die Produktion im eigenen Land vorschreiben und ausländische Anbieter benachteiligen, wie es etwa der „Inflation Reduction Act“ der USA vorsieht. Auch die Sanktionen gegen Russland und Belarus seitens der EU und anderer Staaten sowie die Gegensanktionen im Kontext des russischen Krieges in der Ukraine sorgen bei den betroffenen Betrieben für Herausforderungen. So gibt mehr als jedes zweite Unternehmen (57 Prozent) an, im vergangenen Jahr insbesondere durch Sanktionen eine zusätzliche Hürde bei internationalen Geschäften wahrgenommen zu haben – vornehmlich im Russlandgeschäft.

WIRTSCHAFT ONLINE: Volker Treier, DIHK-Außenwirtschaftschef, sagt: „Deutsche Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Protektionismus, neuen und harten Sanktionsregimes mit hohen Befolgungskosten sowie einer sich immer mehr fragmentierenden Wirtschaftswelt ausgesetzt. Das bedeutet konkret, dass für sie der Zugang zu ausländischen Märkten eine immer größere Herausforderung darstellt.“ Wie ist das im Blick auf die Unternehmen im Bezirk der IHK zu Leipzig zu sehen?

Matthias Feige: Da die Wirtschaftsstruktur im IHK-Bezirk Leipzig vorrangig von kleineren und mittleren Unternehmen geprägt ist, sind die Anstrengungen zur Auslandsmarkterschließung im Verhältnis zur Wirtschaftskraft eine zusätzliche Hürde. Das Engagement in anderen Ländern will gut vorbereitet sein. Daher bedürfen diese Unternehmen zielgerichteter Unterstützung besonders im beratenden Bereich, da viele nicht die entsprechenden Spezialisten – wie beispielsweise Juristen für internationales Recht – vorhalten können.

Die IHK zu Leipzig bietet den Unternehmen daher neben Basisinformationen auch Kontakte zu Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern im Ausland. Dies sind in erster Linie die deutschen Auslandshandelskammern sowie Rechtsanwälte mit der Expertise im Zielland, aber auch mit dem Blick für deutsche Unternehmen.

Auch bereits aktive Unternehmen können sich bei auftretenden Fragen oder Problemen an die IHK zu Leipzig wenden. Wir vermitteln die passenden Ansprechpartnerinnen und -partner zur möglichen Lösung.

WIRTSCHAFT ONLINE: Eine der Hürden für hiesige Unternehmen ist das am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – kurz Lieferkettengesetz. Welche Problemstellungen ergeben sich für Unternehmen im Rahmen dessen?

Matthias Feige: Das Gesetz gilt seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern. Nächstes Jahr dann auch für Unternehmen von 1.000 Beschäftigten ab.

Obwohl kleine und mittlere Unternehmen nicht unmittelbar vom Gesetz betroffen sind, gehen wir davon aus, dass Zulieferunternehmen von Auftraggebern ebenso dazu verpflichtet werden. Dadurch entsteht aktuell vor allem Unsicherheit bei den nicht direkt betroffenen Unternehmen. Natürlich erhöht dies auch die Befürchtung eines größeren bürokratischen Aufwandes.

Wichtig ist, dass sich Unternehmen möglichst gut zu ihren Pflichten informieren. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat dazu auf seiner Internetseite einen Fragenkatalog erstellt.

Da im Weiteren ein europäisches Gesetz zu den Lieferketten in Arbeit ist, welches voraussichtlich ab einer Firmengröße von 250 oder 500 Beschäftigten greift, empfehlen wir bereits jetzt diesen Unternehmen, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Die IHK zu Leipzig bietet eine Webinar-Reihe zum Thema an, welche am 28. März 2023 ihre erste Veranstaltung hatte.

Welche Themen werden denn in den folgenden Veranstaltungen (und wann) bearbeitet?

Matthias Feige: Die Webinar-Reihe zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist eine gemeinsame Initiative der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen. Sie widmet sich grundlegenden Aspekten der Lieferkette. Das erste Webinar umfasste das Thema „Nachhaltigkeit in der Lieferkette“. Die weiteren Veranstaltungen setzen sich mit der praktischen Umsetzung des Gesetzes sowie den zur Verfügung stehenden Tools und Instrumenten für das Risikomanagement der Lieferketten auseinander. Im letzten Webinar wird es einen Blick darauf geben, wie die Kontrolle durch das BAFA bei der Umsetzung des Gesetzes erfolgt.

Die zentrale Anmeldung erfolgt auf der Internetseite:

www.mitteldeutscher-exporttag.de – Webinar-Reihe

Hier noch die Folgetermine:

08. Mai 2023 – Praktisch umgesetzt: Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

31. Mai 2023 – Tools und Instrumente für das Risikomanagement in der Lieferkette

20. Juni 2023 – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und BAFA: Praxisnah kontrolliert?

WIRTSCHAFT ONLINE: Vom 25. April 2023 bis zum 27. April 2023 findet die „Außenwirtschaftstour Sachsen“ unter dem Motto „Globalisierung vs. Nearshoring“ statt. Gerade für Unternehmen, die im Einzugsbereich der IHK zu Leipzig agieren: Welche Veranstaltung ist denn hier besonders wichtig und interessant? Und was geschieht dort?

Matthias Feige: Täglich wachsen die Herausforderungen für sächsische Betriebe: Waren es anfänglich fehlende Fachkräfte, kamen Lieferengpässe und steigende Energiekosten hinzu. Als Reaktion darauf machen sich Unternehmen immer mehr Gedanken darüber, wie und wo ihre Waren hergestellt werden, sie steigern die Anzahl ihrer Lieferanten oder überlegen, die Produktion ganz zurück in ihre Heimatregion zu holen. Entsprechend sind Begriffe wie „Nearshoring“ oder „Friend-Shoring“ derzeit in aller Munde und die Globalisierung wird grundlegend infrage gestellt.

Der Fragenkomplex kann so formuliert werden: Ist die Skepsis gegenüber der Globalisierung berechtigt? Wie müssen sich kleine und mittlere Unternehmen aufstellen, um künftig im internationalen Wettbewerb zu bestehen? Bietet der EU-Binnenmarkt mehr Vorteile oder eher Hürden und welche entfernteren Märkte stellen sinnvolle Alternativen dar?

Die Außenwirtschaftstour Sachsen setzt sich nun mit genau diesen Fragen auseinander und bietet eine Plattform, um mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Ländern Ideen auszutauschen und sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Unter dem Motto „Globalisierung vs. Nearshoring“ touren die Akteure der Außenwirtschaftsinitiative Sachsen (AWIS) dabei an drei Tagen durch die Regionen: in Leipzig am 25. April 2023, in Chemnitz am 26. April 2023 und Dresden am 27. April 2023.

Die Veranstaltungen sind inhaltlich gleich. Wir empfehlen die Teilnahme an der regional am besten zu erreichenden Veranstaltung. Die Anmeldung erfolgt online unter www.aussenwirtschaftstour.de

WIRTSCHAFT ONLINE: Die IHK zu Leipzig ist Teil der Außenwirtschaftsinitiative Sachsen (AWIS). Was macht diese Initiative eigentlich?

Matthias Feige: Die Außenwirtschaftsinitiative Sachsen (AWIS – siehe: www.aussenwirtschaft.sachsen.de) ist der Zusammenschluss der Sächsischen Staatskanzlei, verschiedenen Ministerien der Sächsischen Staatsregierung, der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, dem VDMA Ost und VSW – Vereinigung der Sächsischen Wirtschaft e. V., den Handwerkskammern sowie den Industrie- und Handelskammern Sachsens. Sie dient vornehmlich der Abstimmung und strategischen Ausrichtung der Außenwirtschaftsaktivitäten der Wirtschaftsfördereinrichtungen für die Unternehmen in Sachsen.

Da die Erschließung neuer Märkte besonders für kleine und mittlere Unternehmen eine Herausforderung darstellt, unterstützt sie der Freistaat Sachsen gemeinsam mit den Partnern der AWIS mit gezielten Angeboten. Dazu zählen Messebeteiligungen und Unternehmerreisen ebenso wie Fachveranstaltungen und Beratungstage. Alle Angebote sind branchen- und zielmarktspezifisch im gemeinsamen Veranstaltungskalender zusammengestellt.

Zudem wurde durch die AWIS die Internationalisierungsoffensive Sachsen ins Leben gerufen, diese richtet sich an Exporteinsteiger und Unternehmen, die bisher noch nicht international aktiv sind. Sie berät besonders kleinere Unternehmen gezielt zum Auslandsgeschäft und internationalen Märkten, um Wachstumspotentiale zu nutzen und Absatz bzw. Beschaffung zu diversifizieren. www.iosax.de

WIRTSCHAFT ONLINE: Eine Erkenntnis aus den derzeitigen geopolitischen Spannungen ist, dass Unternehmen bestenfalls in den Prozess der Diversifizierung eintreten sollten, gerade, wenn sie international agieren. Wie unterstützt die IHK zu Leipzig da konkret?

Matthias Feige: Der Fokus der IHK zu Leipzig liegt auf der Information und Kontaktanbahnung weltweit. Die bereits genannten Auslandshandelskammern sind dabei als Teil der IHK-Organisation und der deutschen Außenwirtschaftsförderung wichtige Informationsquellen und Multiplikatoren. Sie kennen die branchenbezogenen Gegebenheiten in ihren jeweiligen Ländern und bieten verschiedenste Dienstleistungen zur Markterschließung an.

Wichtiger Teil der deutschen Außenwirtschaftsförderung ist auch die „Germany Trade and Invest“ (GTAI), die mit ihrem Korrespondentennetz rund um den Globus ständig aktuelle Informationen unter anderem zu Marktgegebenheiten, rechtlichen Aspekten und Ausschreibungen liefert. Diese eigentlich zu bezahlenden Informationen stellen die IHKs durch eine Sondervereinbarung mit der GTAI den IHK-Mitgliedern zum großen Teil kostenfrei zur Verfügung.

Die IHK zu Leipzig ist zudem Partner im „enterprise europe network“ – einem über Europa hinaus reichendem Netzwerk von Kammern und anderen Wirtschaftsfördereinrichtungen. Dieses Netzwerk betreibt eine internationale online Kooperationsdatenbank, in die sich Unternehmen selbst listen lassen, aber vor allem nach passenden Unternehmen für eine Zusammenarbeit recherchieren können. Und dies kostenfrei!

Auch Kooperationsveranstaltungen in Leipzig sind Teil der Unterstützung. So fand im Frühjahr dieses Jahres auf den Messen „Zuliefermesse/intec/GrindTec“ am 8. März 2023 die internationale Kooperationsbörse „CONTACT“ statt, zu der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 20 Ländern angemeldet waren.

Bisweilen empfängt die IHK zu Leipzig ausländische Unternehmensdelegationen und veröffentlicht die Listen der anreisenden Unternehmen unter „Veranstaltungen“ auf ihrer Homepage. Die Teilnahme von Unternehmen, die Kontakte suchen, ist dabei sehr erwünscht. Eine regelmäßige Sichtung der Veranstaltungshinweise auf der Homepage der IHK zu Leipzig kann sich lohnen.

 Im Übrigen empfehlen wir das für IHK-Mitglieder kostenfreie Abonnement der „Außenwirtschaftsnachrichten“. Auch dort veröffentlichen wir neben Veranstaltungshinweisen regelmäßig Kooperationsangebote und Gesuche weltweit, welche uns über verschiedene Kanäle erreichen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Feige, für Ihre Antworten und Ihr Engagement.

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Matthias Feige gerne weiter.

T: +49 341 1267-1324
M: +49 151 12670011
F: +49 341 1267-1420
E: matthias.feige@leipzig.ihk.de

Porträt Matthias Feige

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