Portrait Zuzana Megova
Im Gespräch mit der Direktorin des Slowakischen Instituts Zuzana Megová

Wir teilen in der EU nicht nur die Probleme, sondern auch die Lösungen

11. Oktober 2023

Bei der zweiten Auflage der IHK zu Leipzig-Veranstaltungsreihe Wirtschaft trifft Kultur war auch die Direktorin des Slowakischen Instituts in Berlin Zuzana Megová zu Gast. Schließlich thematisierten die Veranstalter das Land in der Mitte Europas mit den auftretenden Acts und im Talk. WIRTSCHAFT ONLINE sprach deshalb mit ihr über wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit, die Slowakei an sich und die wirtschaftliche Entwicklung des gerade im 30. Jahr seiner Unabhängigkeit angekommenen Landes:

Guten Tag, Frau Zuzana Megová. Erst einmal Danke, dass Sie uns etwas Zeit zur Verfügung stellen. Sie sind seit September 2022 Direktorin des Slowakischen Instituts in Berlin. Unter anderem verknüpfen Sie die Filmschaffenden, Verlage und andere Kreativwirtschaftler aus der Slowakischen Republik mit den Unternehmen in Deutschland, auch in unserer Region. Welche Kooperationen gibt es denn da schon?

Zuzana Megová: Ich freue mich, dass wir bereits den 30. Jahrestag der Unabhängigkeit und der Aufnahme gegenseitiger Beziehungen feiern können. Es war eine lange Zeit, in der die Zusammenarbeit geboren, begonnen, gestärkt wurde und Früchte tragen konnte. Den Bereich Kultur und Kunst kann ich am besten beurteilen. In diesem Zusammenhang ist die Leipziger Buchmesse sicherlich einer der Höhepunkte der Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Sachsen, im weiteren Sinne Deutschland. Die positiven Erfahrungen aus der Präsentation auf der Messe in Leipzig zeigen uns, dass wir uns irgendwann auch mit der Idee tragen könnten, Ehrengast der Frankfurter Buchmesse zu sein. Damit dies gelingt, muss die slowakische Literatur in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit deutscher Übersetzer und Verleger geraten. Da wir in Sachsen ein bedeutendes Netzwerk an Verlegern und Übersetzern vorfinden, ist dies für uns ein wichtiges Gebiet, mit dem wir zusammenarbeiten können.

WIRTSCHAFT ONLINE: Bevor Sie Ihre jetzige Aufgabe übernahmen, waren Sie zehn Jahre lang Generaldirektorin des Kulturministeriums der Slowakischen Republik in Bratislava. Gab es damals schon Kontakte in unsere Region und wenn ja, welche?

Zuzana Megová: Wie ich bereits sagte, lag mir die Zusammenarbeit des slowakischen Literaturzentrums mit der Leipziger Buchmesse schon immer sehr am Herzen. Als Generaldirektorin im Kulturministerium war ich für 13 Kunst-, Informations- und Dokumentationsinstitutionen verantwortlich. Das Slowakische Literaturzentrum war eines davon. Ich habe sowohl große Kooperationen als auch kleine Veranstaltungen wie Lesungen oder Kontakte zu Einzelpersonen und kleineren Verlagen gefördert. Ich persönlich kenne eine recht gute Expatriate-Community, die im weiteren Sinne auch zum Aufbau gegenseitiger Kontakte beiträgt, aktiv nach möglichen Überschneidungen der Zusammenarbeit sucht und sich an kulturellen und wirtschaftlichen Veranstaltungen beteiligt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wie können hiesige Unternehmen an Kooperationen mit slowakischen Institutionen wie der Ihren partizipieren?

Zuzana Megová: Recht einfach. Sie müssen lediglich Interesse zeigen und mit uns Kontakt anknüpfen, uns ansprechen, uns schreiben. Entweder an das Honorarkonsulat hier in Leipzig, an die Botschaft in Berlin oder an uns im Slowakischen Institut. Wir können uns jederzeit mit allen genannten Kollegen abstimmen, um die Informationen des Interessenten an die richtige Person oder Institution weiterzuleiten. Ich denke, dass unsere beiden Länder, obwohl sie von der Größe her kaum vergleichbar sind, in Bezug auf Handel und Industrie vor den gleichen Herausforderungen stehen. In der Zukunft geht es für kleine und große Unternehmen ums Energiesparen, grüne Lösungen und ethische Ansätze im Bereich der Digitalisierung. Darüber hinaus teilen wir im Raum der Europäischen Union nicht nur die gleichen Probleme, sondern auch Lösungen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Germany Trade & Invest sehen Deutschland als wichtigsten Handelspartner der Slowakei. Gerade in den Schlüsselbranchen Automotive, Maschinenbau und Elektrotechnik steht Deutschland jeweils an erster Stelle. Welche Standortvorteile hat die Slowakische Republik, bezogen auf Zusammenarbeiten mit hiesigen Unternehmen? Und auch andersherum gefragt: Welche Faktoren bestimmen die slowakischen Entscheidungsträger in der Wirtschaft, gerade auch in der Kulturwirtschaft, mit deutschen Unternehmen zusammen zu agieren?

Zuzana Megová: Ja, es ist genauso, wie Sie sagen. Deutschland ist unser wichtigster Partner. Meiner Meinung nach gibt es dafür mehrere Gründe. Die Slowakei bietet nicht nur hochqualifizierte Arbeitskräfte, sondern auch jeder Menge Mehrwert. Sie hat eine hervorragende Lage im Zentrum Europas und ist vielleicht das einzige Land, dessen Hauptstadt so nah an einer anderen Hauptstadt liegt – Wien. Auch die Verbindung nach Budapest oder Prag ist schnell. Für die Entwicklung des Handels in der gesamten Region ist die Slowakei daher eine Art Knotenpunkt mit fantastischen Möglichkeiten zur Vertiefung oder Verknüpfung von Geschäftspartnerschaften.

Den zweiten Teil Ihrer Frage muss ich in einem breiteren Kontext beantworten. Die wichtigsten Faktoren sind Kommunikation und Verständnis. Die Slowakei, als ehemaliger Teil Österreich-Ungarns, ist ein Land, in dem Deutsch eine der Haushaltssprachen war. Mein Großvater sprach fließend Deutsch, Ungarisch und Slowakisch. Es war ganz natürlich. Und wenn man Partner sucht, geht man natürlich dorthin, wo man verstanden wird. Sie gehen denen nach, die Ihnen nahestehen. Darüber hinaus kann Deutschland in vielen Bereichen ein Vorbild für uns sein. Daher ist es selbstverständlich, dass wir nach Möglichkeiten für die Zusammenarbeit mit Ihnen suchen, um geschäftliche oder kulturelle Kooperationen zu entwickeln.

WIRTSCHAFT ONLINE: Der deutsch-slowakische Handel erreichte 2022 mit 36 Milliarden Euro ein Rekordergebnis. Luft ist nach oben immer. Wo kann das Handelsvolumen denn noch erhöht werden?

Zuzana Megová: Unabhängig von den Zahlen bin ich davon überzeugt, dass die Zukunft und die Chancen in einem verantwortungsvollen und schonenden Umgang mit den Ressourcen, mit dem Planeten und mit den Menschen liegen. Es ist nicht immer der Weg, den Umsatz zu steigern und den Gewinn zu multiplizieren. Heute nehme ich Industrie und Handel viel sensibler wahr. Europa steht auf bestimmten gemeinsamen Werten – kulturellen, christlichen, aber auch ökologischen. Daher denke ich, dass Nachhaltigkeit und Verantwortung viel mehr das Narrativ bestimmen werden als eine grenzenlose Steigerung der Handelsvolumen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ende Juni 2023 fand in München die Veranstaltung „Neue Brücken bauen in schwierigen Zeiten. Die Visegrád-Four: Partner beim wirtschaftlichen Umbau Europas“ statt, welche vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und dem Ost West Wirtschaftsforum (OWWF) organisiert wurde. Der Begriff Visegrád-Four ist jetzt nicht jedem Leser und jeder Leserin geläufig. Was sind die Visegrád-Four und welche Rolle spielt die Slowakische Republik in diesem Zusammenhang?

Zuzana Megová: Der Begriff bezieht sich auf vier mitteleuropäische postkommunistische Länder, die Tschechische Republik, die Ungarische Republik, die Polnische Republik und die Slowakische Republik. Die Gruppe hieß ursprünglich Visegrád-Three; die vier kam durch die Teilung der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik im Jahr 1993 zustande.

Wir teilen historische Überschneidungen, wir sind Länder junger Demokratien und wir gehören zu den jüngeren Mitgliedern der Europäischen Union. Gleichzeitig sind wir Mitglieder einer größeren europäischen Familie, was manchmal die Bedeutung einer nur vierköpfigen Zusammenarbeit verringert und sie sinnvoller macht, wenn mehr Akteure beteiligt sind. Für den Bereich Kunst und Kultur kann ich jedoch sagen, dass die Zusammenarbeit im Format der Visegrad-Vier sinnvoll ist. Schließlich organisierten wir auch letztes Jahr ein einzigartiges Jazzkonzert der Band Voice of Colors in Berlin, bestehend aus Mitgliedern aus den Ländern der Visegrad-Vier. Ich kann sagen, dass es perfekt klang, und deshalb glaube ich, dass es nicht nur in diesen vier Ländern, sondern in der gesamten europäischen Familie gut „klingen“ wird.

WIRTSCHAFT ONLINE: Gern können Sie noch ein paar Worte an unsere Unternehmen im Kammerbezirk richten, Frau Megová. Zum Beispiel hier:

Zuzana Megová: Ich möchte betonen, dass die Slowakei heute nicht nur ein Land mit hohen Produktionskapazitäten ist, sondern auch ein Land, das dank der Start-ups und Labors hochqualifizierte Lösungen bietet und ein echtes Land der Ideen ist. Ich lade Sie ein, alle Juwelen unseres Landes zu entdecken. Machen Sie beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen einen Kurztrip in die Slowakei, probieren Sie lokale Spezialitäten, tanken Sie Kraft in der Natur oder geistige Ausgeglichenheit in den Heilbädern und begehrten Kurorten.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke für Ihre Zeit und Ihr Engagement für ein wirtschaftlich und kulturell zukunftsfähiges Europa.

Das Slowakische Institut in Berlin: https://mzv.sk/web/siberlin-de

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