Urheberrecht, Schutzrecht und geistiges Eigentum
30. September 2025Der Schutz des geistigen Eigentums ist in einer globalen Weltwirtschaft ein großes Thema. Hier richtig und frühzeitig zu agieren, kann bares Vermögen wert sein. Wir sprachen mit Daniela Kulik, in der IHK zu Leipzig tätig für den Bereich Innovation.
Dabei ging es um Gesetze, Regelungen, Möglichkeiten des Schutzes und Orientierungshilfen bei Verletzungsrisiken und Schutzlücken.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Frau Kulik. Sie sind hier in der IHK zu Leipzig im Bereich Innovation tätig und deshalb die perfekte Ansprechpartnerin in Sachen „Geistiges Eigentum“. Viele Unternehmen, gerade auch KMU, sind sich nicht bewusst, wie viele immaterielle Vermögenswerte in ihren Firmen schon angehäuft sind. Können Unternehmen eigentlich ihre Strukturen durchleuchten lassen? Welche Beratungen gibt es zum Thema Urheberrecht von der IHK zu Leipzig?
Daniela Kulik: Hallo Herr Hartmann-Tanner, vielen Dank für die Einladung zum Gespräch.
Was genau meinen Sie mit „durchleuchten“? Wenn es darum geht, wie Unternehmen ihre immateriellen Vermögenswerte strategisch erfassen und schützen können, dann sprechen wir von gewerblichen Schutzrechten – also Marken, Designs, Gebrauchsmustern, Patenten – und ergänzend auch vom Urheberrecht.
In der IHK zu Leipzig bieten wir Erstberatungen an. Dabei geht es vor allem darum, ein grundlegendes Verständnis zu vermitteln: Wann ist welches Schutzrecht sinnvoll, wie kann man es nutzen und was sollte man dabei kurz- und langfristig beachten?
Neben den klassischen Schutzrechten gibt es aber auch andere strategische Ansätze, etwa zum Schutz von Know-how oder Geschäftsgeheimnissen; das ist gerade für KMU oft ein wichtiger Punkt, der unterschätzt wird.
Falls es bereits zu einer Rechtsverletzung gekommen ist, etwa durch eine Abmahnung oder ein anwaltliches Unterlassungsschreiben, können wir zwar keine rechtliche Vertretung übernehmen, aber erste Orientierung geben und auf geeignete juristische Ansprechpartner oder Stellen verweisen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wie können Unternehmen ihr geistiges Eigentum schützen lassen?
Daniela Kulik: Unternehmen können ihr geistiges Eigentum auf verschiedene Weise schützen, je nachdem, um welche Art von Innovation oder Kreativleistung es sich handelt:
Erstens gibt es den Registerschutz. Diese Schutzrechte entstehen durch eine Eintragung in ein offizielles Register, beispielsweise beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Hier sind zu nennen: Marken (etwa Logos, Namen, Slogans), Designs (hier zum Beispiel Produktformen, Verpackungen – also die äußere Gestaltung) und technische Erfindungen, die über ein Patent oder, in einfacherer Form, ein Gebrauchsmuster geschützt werden können. Daneben gibt es Kreativleistungen auch ohne Registerschutz, hier etwa das Urheberrecht: Das Urheberrecht schützt beispielsweise Texte, Software, Musik oder kreative Gestaltungen.
Drittens zählen dazu Geschäftsgeheimnisse: Seit 2019 gibt es das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG). Es schützt vertrauliches Know-how und interne Informationen, aber nur, wenn Unternehmen aktiv Maßnahmen ergreifen, um diese Informationen geheim zu halten (hier beispielgebend durch NDAs, Zugangsbeschränkungen, klare Dokumentation).
WIRTSCHAFT ONLINE: Es geht ja nicht nur um Patente, es geht auch um Logos, Gebrauchsmuster, Marken und Designs. Gerade bei KMU erwachsen diese jedoch aus Lösungsansätzen, die durch Problemstellungen nötig wurden. Gibt es einen Fahrplan, wie Unternehmen hier vorgehen sollten, damit ihre Innovationen nicht gleich von größeren oder internationalen Mitbewerbenden gekapert werden?
Daniela Kulik: Ja, es gibt verschiedene strategische Ansätze. Einen festen Standardfahrplan für alle Unternehmen gibt es jedoch nicht, da die Herangehensweise immer individuell auf die jeweilige Unternehmensstruktur, Branche und Innovationsart abgestimmt werden sollte.
Wichtig sind vor allem interne und externe vertragliche Regelungen: Bereits in der frühen Entwicklungsphase sollte geklärt sein, wem Ideen, Entwicklungen oder kreative Leistungen gehören, sei es durch klare Arbeitsverträge, Kooperationsvereinbarungen oder Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs) mit Partnern, Auftragnehmenden oder Dienstleistern.
Daneben ist der strukturierte Umgang mit Innovationen im Unternehmen zu beachten: Hierbei geht es etwa darum, wie neue Ideen dokumentiert, bewertet und weiterverfolgt werden. Auch personelle Zuständigkeiten und finanzielle Ressourcen für den Schutz sollten definiert sein.
Und schlussendlich: Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend. Ein besonders kritischer Punkt: Keine vorschnelle Veröffentlichung! Präsentationen, Messeauftritte oder Veröffentlichungen von Prototypen können als sogenannte Vorveröffentlichung gelten und damit den späteren Schutz verhindern – weil die Idee dann bereits als „Stand der Technik“ gilt. Das betrifft nicht den Markenschutz, aber bei technischen Innovationen ist Vorsicht geboten.
Als Fazit kann man hier zusammenfassen: Wer Innovationen schützen will, sollte frühzeitig und vor allem strukturiert handeln. Gerade KMU profitieren davon, wenn sie sich ein Schutzkonzept erstellen lassen oder zumindest eine Erstberatung in Anspruch nehmen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Das Patent- und Markenamt bietet Orientierungshilfen zum Aufzeigen von Verletzungsrisiken und Schutzlücken beim geistigen Eigentum. Das bedeutet ja, dass es Schutzlücken gibt. Können Sie uns hierzu etwas erzählen, Frau Kulik?
Daniela Kulik: Ja, die Begriffe „Verletzungsrisiken“ und „Schutzlücken“ deuten darauf hin, dass es auch beim geistigen Eigentum keine hundertprozentige Sicherheit gibt, gerade wenn Schutzrechte nicht strategisch oder vollständig eingesetzt werden.
Verletzungsrisiken entstehen zum Beispiel durch Produktpiraterie oder Nachahmungen, Verwechslungsgefahr mit bestehenden Marken oder Designs oder durch die unrechtmäßige Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten.
Schutzlücken wiederum entstehen oft dann, wenn Schutzrechte nicht frühzeitig beantragt werden, die Marke oder das Design an absoluten Schutzhindernissen scheitert wegen fehlender Unterscheidungskraft. Deshalb ist es wichtig, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen.
WIRTSCHAFT ONLINE: „Aktuelle Studien des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) belegen: Unternehmen mit Schutzrechten erzielen 32 Prozent mehr Umsatz pro Mitarbeiter und haben um 21 Prozent bessere Wachstumschancen. Dennoch melden nur neun Prozent der europäischen KMU Schutzrechte an – oft aus Unwissen über Chancen und Nutzen aus dem Schutz geistigen Eigentums (Intellectual Property, IP)“, so schreibt das Patent- und Markenamt in einer Presseinformation. Nun sind diese Zahlen auf ganz Europa bezogen und weichen ab von regionalen Analysen und Realitäten. Wie ist denn die Lage zum Thema hier in der Region Leipzig, der Stadt Leipzig, Nordsachsen und dem Landkreis Leipzig? Können Sie uns hierzu ein Bild schaffen, Frau Kulik?
Daniela Kulik: Ja, die Zahlen des EUIPO zeigen beeindruckende Potenziale; aber sie treffen nicht eins zu eins auf die regionale Realität zu. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen in der Region beobachten wir: Der Schutzbedarf ist da, aber die Hürden sind oft hoch.
Ein gutes Beispiel ist das Patent: Zwar bietet es enorme Schutzwirkung, aber schon die Anmeldung bringt einen nicht unerheblichen Kostenfaktor mit sich, selbst wenn Förderprogramme in Anspruch genommen werden. Dazu kommen laufende Kosten beispielsweise für die Überwachung, Verteidigung im Verletzungsfall oder internationale Erweiterungen. Gerade Letzteres ist kritisch: Internationaler Schutz, hier etwa über das Europäische oder das internationale PCT-Verfahren, ist kostenintensiv. Viele kleinere Unternehmen können sich diese globalen Schutzmaßnahmen schlicht nicht leisten, obwohl sie in internationalen Märkten aktiv oder angreifbar sind.
Das führt dazu, dass viele KMU entweder gar nicht anmelden oder nur national und dass damit eine Schutzlücke für internationale Mitbewerbende entsteht. In der Praxis zeigt sich hier ein echtes Dilemma: Einerseits wollen KMU ihre Innovationen absichern, andererseits fehlen ihnen oft die personellen und finanziellen Ressourcen, um konsequent alle Schutzrechte durchzusetzen oder global zu sichern.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die internationale wirtschaftliche Gemengelage ist derzeit von einem Kampf der Systeme geprägt, Einflussbereiche werden gerade neu abgesteckt, Produktpiraterie sorgt für eine immense Marktverschiebung. Gerade KMU kommen da mit ihren Ideen leicht unters Messer. Was können regionale Wirtschaftstreibende tun, wenn sie mitbekommen, dass ihre Ideen oder Produkte, völlig abgekoppelt von hiesigen Produktionsrealitäten, verbilligt auf den Markt kommen, weil anderswo völlig andere Gesetze gelten – ich möchte hier beispielsweise auf Anbieter aus dem asiatischen Raum anspielen.
Daniela Kulik: Produktpiraterie ist ein globales Problem; und leider trifft es kleinere, innovative Unternehmen besonders hart. Entscheidend ist: Nur wenn ein Schutzrecht, etwa ein Patent, ein Design oder eine Marke im jeweiligen Land angemeldet und erteilt wurde, kann dort auch rechtlich gegen Nachahmende vorgegangen werden.
Das bedeutet: Wer international agiert oder auch nur exportiert, sollte zumindest in seinen wichtigsten Ziel- oder Wettbewerbsregionen prüfen, ob ein Schutzrecht sinnvoll und wirtschaftlich tragbar ist.
Und hier kommen wir zu einem zweiten, sehr realen Problem: Selbst mit gültigen Schutzrechten kann die Durchsetzung teuer und langwierig sein, zum Beispiel wenn es zu einer Abmahnung, einem Gerichtsverfahren oder einer Grenzbeschlagnahme kommt. Gerade kleinere Unternehmen sind oft nicht in der Lage, solche Verfahren aus eigener Kraft zu stemmen – weder finanziell noch personell.
Es braucht also ein bewusstes Abwägen der eigenen strategischen Ausrichtung, sowohl national als auch international.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, liebe Frau Kulik, für Ihre Zeit und Ihr Engagement.
Daniela Kulik: Ich danke Ihnen für Ihre Fragen.