Sachsens Infrastruktur steckt im Stau fest
09. Dezember 2025Marode Brücken, fehlender Schulunterricht
Der Einsturz der Dresdner Carolabrücke im September 2024 hat es mit großer Symbolkraft deutlich gemacht: Sachsens Infrastruktur ist am Limit. Und das nicht erst seit gestern. Der Sächsische Rechnungshof stellt in seinem aktuellen Jahresbericht fest, dass bei mehr als der Hälfte der Staatsstraßen dringender Handlungsbedarf besteht. Das Gleiche gilt bei der Bildung – im gesellschaftlichen Verständnis von Infrastruktur – und dem Breitbandausbau: Im ersten Halbjahr 2024/25 fielen fast zehn Prozent des Schulunterrichts aus, und in vielen ländlichen Regionen sind Unternehmen noch fernab von Gigabit-Anschlüssen.
Deutschlandweit beziffert das KfW-Kommunalpanel 2025 den Investitionsrückstand auf 215 Milliarden Euro. Gewaltige Summen mit dramatischen Folgen für die Zukunft, warnt Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig: „Wenn wir diese Investitionen heute nicht tätigen, wird das erhebliche Nachteile haben – bis hin zu weiter sinkenden Steuereinnahmen und Einschnitten im Haushalt.“
Direkte Folgen für Unternehmen
Die Auswirkungen des Investitionsstaus haben schon heute handfeste Folgen für Sachsens Unternehmen. Längere Lieferwege durch Umleitungen und Sperrungen, unsichere Transportzeiten sowie höhere Umlaufbestände sind nur einige Beispiele.
Zusätzlich bremst die Bürokratie aus. Investitionsprojekte verzögern sich und Fördermittel fließen zu langsam ab, weil Genehmigungsverfahren zu lange dauern. Das führt auch dazu, dass Unternehmen eigene Investitionen verschieben. „Gerade kleinere Betriebe klagen darüber, dass sie mit Baugenehmigungen und Gutachten monatelang blockiert sind“, berichtet Kirpal. Und so droht eine Spirale, die langfristig die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Sachsen schwächt.
Enge Finanzen und langsame Verfahren
Doch warum stockt es? Die Investitionsquote des Freistaats ist – von einem im Vergleich sehr hohen Niveau kommend – in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Während sich jedoch andere staatliche Aufgaben erhöhten und Gelder im Haushalt blockierten, reduzierte sich der finanzielle Rahmen für öffentliche Investitionen immer mehr. „In den 1990er-Jahren wurden Autobahnen, der Flughafen Leipzig/Halle und Industriegebiete ausgebaut. Heute tätigen wir solche zukunftsgerichteten Investitionen nicht mehr“, sagt Kirpal.
Mittlerweile wird der finanzielle Spielraum im Haushalt immer enger. Der sächsische Doppelhaushalt 2025/26 mit einem Volumen von über 50 Milliarden Euro gilt als „Stabilisierungshaushalt“. Mit einer um 4,2 Prozentpunkte niedrigeren Investitionsquote wird es sogar zu weiteren Kürzungen beim Straßen- und Schulausbau kommen. Zudem sind die Rücklagen von 1,3 Milliarden Euro vollständig aufgebraucht, was die Möglichkeiten für den nächsten Doppelhaushalt weiter einschränkt. Hinzu kommen steigende Baupreise und die knappen Eigenmittel vieler Kommunen.
Lösungen: priorisieren, beschleunigen, bündeln
Und das Sondervermögen Infrastruktur des Bundes? Für Sachsen kann das 500 Milliarden starke Infrastrukturprogramm durchaus eine Chance sein. Allerdings sollten mit den rund vier Milliarden Euro für Sachsen keine Projekte realisiert werden, die eigentlich der reguläre Haushalt leisten muss. „Eine Rathaussanierung sollte sich nicht aus dem Sondervermögen Bund mit einem zukunftsorientierten Fokus finanzieren. Die durch eine nie da gewesene Neuverschuldung finanzierten Milliarden aus Berlin müssen wirklich in zusätzliche Infrastrukturprojekte fließen. Das ist unsere klare Erwartung“, mahnt Kirpal. Seiner Meinung nach braucht es hier eine klare Priorisierung und mehr Tempo bei Planungen und Genehmigungen.
Die IHK zu Leipzig fordert bereits seit vielen Jahren ein klares Umdenken. Dazu gehören eine Projektliste für Sachsen mit transparentem Monitoring, eine zentral bündelnde Planungs- und Genehmigungs-Taskforce, ein stärkerer Investitionsfokus auf wirtschaftsnahe Straßen- und Energieinfrastrukturen sowie auf zeitgemäße Bildungsangebote.
Leuchtturmprojekte zeigen, was möglich ist
Erfolgreiche Beispiele in der Region Leipzig zeigen, welchen Schub öffentliche Investitionen auslösen können: Das BMW-Werk mit rund 6.800 Beschäftigten oder die DHL-Drehscheibe am Flughafen Leipzig/Halle wären ohne leistungsfähige Infrastruktur nicht denkbar gewesen. Und durch den City-Tunnel wurden nachhaltige Impulse für Handel, Wirtschaft und Klimaschutz angestoßen, von denen die gesamte mitteldeutsche Region profitiert.
„Wir belächeln manchmal die südeuropäische Mentalität. Aber die Wiedererrichtung der eingestürzten Autobahnbrücke in Genua hat mit Abriss, Planung und Neubau zwei Jahre gedauert – die Sanierung der Georg-Schwarz-Brücken in Leipzig und der Wiederaufbau der Dresdener Carola-Brücke sollen bis 2031 dauern“, hält Kirpal fest. Umso mehr appelliert er an mehr Mut und Entschlossenheit in Sachsen – nur so ließe sich aus einem Stau neuer Schwung erzeugen.
Text von: Jens Wollweber
Bei Fragen hilft Ihnen die Redaktion der WIRTSCHAFT ONLINE gerne weiter.