
Sachsen braucht eine Zukunftsstiftung!
09. Dezember 2024Um Sachsen weiterhin zukunftssicher aufzustellen, braucht es dringend Instrumente, die dafür sorgen, dass keine Chancen ungenutzt bleiben. Ein Lösungsansatz ist hier eine Zukunftsstiftung für Sachsen. Wir sprachen mit dem Mitinitiator des Appells „Gemeinsam mehr Unternehmertum wagen! Sachsen braucht eine Zukunftsstiftung.“, unserem Vizepräsidenten Christophe Hug.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Christophe Hug. Sie sind als Vizepräsident der IHK zu Leipzig Mitinitiator des Appells der Wirtschaft „Gemeinsam mehr Unternehmertum wagen! Sachsen braucht eine Zukunftsstiftung.“ An wen richtet sich der Appell konkret?
Christophe Hug: Der Appell richtet sich vor allem an die Politik im Freistaat Sachsen, gerade jetzt, wo eine neue Legislaturperiode beginnt. Mehr als 100 Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen bereits den Appell, insoweit adressiert er auch weitere Unternehmen. All diese Adressaten wollen wir ansprechen und von unserer Initiative überzeugen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Aus welchen Gründen braucht es eine Zukunftsstiftung für Sachen?
Christophe Hug: Derzeit fehlt dem Freistaat ein Instrument, um n zukunftsweisende Wirtschaft, Innovation, Forschung und Technologietransfer zu investieren. Hinzu kommt: Haushaltszwänge und bürokratische Hürden bewirken, dass, abhängig von Wahlperioden, nur punktuelle Maßnahmen umgesetzt werden können. Dies verhindert nicht nur eine nachhaltige Strukturentwicklung, sondern sorgt auch dafür, dass Chancen nicht genutzt werden. Um diese Hindernisse zu überwinden, benötigt Sachsen dringend neue Finanzierungsinstrumente, die unabhängig von Haushalts- und politischen Zwängen nachhaltige Impulse setzen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die geforderte Zukunftsstiftung Sachsen soll jährlich Mittel für Wachstumsinitiativen bereitstellen. Was ganz speziell soll denn gefördert werden?
Christophe Hug: Hier geht es nicht um Förderung, sondern um Investitionen. Voranstellen wollen wir, mit allen Initiatoren und Unterstützern, dass wir gern unsere Idee und das Konzept dazu mit der Politik diskutieren und präzisieren möchten. Die Stiftung soll langfristig in Unternehmen, in nachhaltige Zukunftsprojekte in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Technologie und Gesellschaft investieren. Diese investierten Mittel sind daher kein verlorener Zuschuss, sondern eine Investition, die auch Erträge erwirtschaftet. Mit den Erträgen kann weiter investiert werden. Weiterhin ermöglicht diese Stiftung langfristige Wirtschaftsimpulse, weil eine Finanzierungsquelle eröffnet wird, die naturgemäß in den neuen Bundesländern 35 Jahre nach der Wende rar gesät ist: das Eigenkapital. Unternehmen mit langfristigem, sächsischen Eigenkapital entwickeln sich überwiegend mit ihren Wurzeln in Sachsen. Die Stiftung ergänzt damit andere existierende Instrumente der Unternehmensfinanzierung.
Mit der Stiftung soll eine neue Gründerwelle angestoßen, Start-ups mit hohem Wachstumspotenzial gefördert und der hiesige Mittelstand gestärkt werden. Die Aktivitäten der Stiftung sollen auch Zukunftsthemen wie Dekarbonisierung, KI, Digitalisierung und Industrie 4.0 unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft stärken.
WIRTSCHAFT ONLINE: Gibt es ähnliche Stiftungen schon in anderen Bundesländern oder anderen Staaten? Wenn ja, wie sind dort die Erfahrungswerte?
Christophe Hug: Der Stiftungsgedanke ist in Deutschland, und darüber hinaus, weit verbreitet. So gibt es beispielsweise in Thüringen hervorragende Beispiele. Oder aus Nordrhein-Westfalen, hier ist konkret die RAG-Stiftung bekannt. Die RAG-Stiftung investiert etwa in Unternehmen und finanziert daraus Verpflichtungen, die seit Beendigung des deutschen Steinkohlenbergbaus fortbestehen. Die RAG-Stiftung hat eine hohe wirtschaftliche Wirkung, entlastet die öffentliche Hand und leistet einen wichtigen Beitrag zur Transformation rund um die ehemaligen Zechenstandorte. Wichtige Impulse setzt sie darüber hinaus über die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Kultur.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wie soll die Stiftung finanziert werden?
Christophe Hug: Die Finanzierung der Stiftung soll durch Landesmittel sowie potenzielle Sondererlöse erfolgen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Den Appell haben mittlerweile über 100 Unternehmen unterzeichnet. Können Sie uns bitte einige Player davon nennen?
Christophe Hug: Die Unterstützerinnen und Unterstützer rekrutieren sich aus einem breiten Spektrum von Unternehmen verschiedener Größen und Branchen sowie Einrichtungen aus dem gesamten Freistaat Sachsen. Der aktuelle Stand und die Übersicht der Unterstützer können auf der Webseite der Stiftungsinitiative https://www.zukunftsstiftung-sachsen.de/ abgerufen werden.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die Zukunftsstiftung soll, so wird es angeregt, Teil des zukünftigen Koalitionsvertrages werden. Gibt es hierfür einen Zeitplan?
Christophe Hug: Es wäre sehr wünschenswert, wenn der Stiftungsgedanke von der zukünftigen Sächsischen Staatsregierung aufgegriffen wird. Bei den weiteren Schritten hin zu einer Regierungsbildung werden wir die Vorzüge dieses Modells immer wieder bei den politisch Verantwortlichen ins Spiel bringen.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wer soll dann über die Projekte entscheiden? Wer soll in den Stiftungsrat hinein?
Christophe Hug: Ein unabhängiges Kuratorium, bestehend aus Vertretern der Staatsregierung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften, könnte die Stiftung begleiten. Solch ein Gremium könnte auch über konkrete Vorhaben und deren Umsetzung entscheiden.
WIRTSCHAFT ONLINE: Gerade die Entlastung des sächsischen Haushaltes aufgrund von Verzinsung und Wertsteigerung sollte doch ein Argument sein, welches bei den Entscheidungsstrukturen im Land auf fruchtbaren Boden fällt. Kommt diese strategisch sinnvolle Aufstellung der Idee an?
Christophe Hug: Zunächst einmal muss das Stiftungskapital eingebracht werden. Perspektivisch kann der Kapitalstock wachsen. Die Entlastung des Haushalts erfolgt nicht direkt durch die Stiftung, aber durch die Entfaltung und das Wachstum unternehmerischer Aktivitäten mit Sitz in Sachsen. Diese Unternehmen, ob neue oder bestehende, die wachsen sowie Nachfolgen, die ermöglicht werden, beschäftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schaffen Mehrwert und bezahlen Steuern. Darüber hinaus kann die Stiftung Erträge weiter investieren.
WIRTSCHAFT ONLINE: Warum sollte der Freistaat gerade jetzt, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage, eine solche Stiftung gründen?
Christophe Hug: Es gibt selten den einen optimalen Zeitpunkt. Wichtig ist, dass wir von dem Stiftungsgedanken überzeugt sind und damit beginnen. Ziel muss sein, die Stiftung zu gründen und je nach Möglichkeiten, Haushaltslage und Sondererlösen sukzessive aufzubauen. Das Credo lautet: Nicht nur reden, sondern „machen“ und nicht weiter warten.
Der beste Zeitpunkt wäre gestern gewesen. Der zweitbeste Zeitpunkt ist heute.
WIRTSCHAFT ONLINE: Wer kann bei der Stiftung dann alles mitmachen? Und wer partizipiert daran?
Christophe Hug: Die genauen Statuten müssen noch erarbeitet werden. Interessierte können jederzeit auf die Initiatoren wie beispielsweise Bodo Rodenstock oder Eric Weber, zugehen. Kontaktmöglichkeiten finden sich ebenfalls auf der Webseite der Stiftungsinitiative unter www.zukunftsstiftung-sachsen.de.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Hug, für Ihre Zeit und Ihr Engagement.