Ein Mann in einer Schürze von Stadt Land Küche schält ein Apfel
Stadt-Land-Küche-Projektleiter Dr. Stierand

Regionale Vielfalt kann kreativ, überraschend und gleichzeitig nachhaltig sein

09. September 2025

Die Initiative Stadt-Land-Küche unterstützt regionale Unternehmen bei der Implementierung eines zukunftsfähigen Speisenangebots. Doch was heißt das ganz konkret? Wir sprachen mit dem Projektleiter der Initiative Dr. Philipp Stierand über Strategien, Regionalität und Finanzierungshintergründe. Dabei kamen auch die Angebotspalette der Initiative, Nachhaltigkeitsaspekte und Hintergründe zur Expertise der Beratenden zur Sprache.

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Dr. Philipp Stierand. Sie sind der Projektleiter der Initiative Stadt-Land-Küche. Mit Ihrem Team und Ihrem Projekt unterstützen Sie sächsische Gastronomiebetriebe bei der Entwicklung eines zukunftsfähigen Speisenangebots. Können Sie das bitte genauer erklären? Was ist denn ein zukunftsfähiges Speisenangebot?

Dr. Philipp Stierand: Ein zukunftsfähiges Speisenangebot setzt auf regionale, saisonale und nachhaltig produzierte Zutaten. Entscheidend ist, dass Geschmack, Qualität und Wirtschaftlichkeit dabei zusammenpassen. Für Gäste bedeutet das mehr Frische und eine stärkere Verbindung zur Region. Für Betriebe entstehen ein klareres Profil und oft auch ein wirtschaftlicher Vorteil. Ziel ist ein Angebot, das ökologisch sinnvoll, wirtschaftlich tragfähig und kulinarisch überzeugend ist. Mit Stadt-Land-Küche unterstützen wir Gastronomiebetriebe in Sachsen genau dabei. Im Auftrag des Landes beraten wir kostenlos, individuell und praxisnah. Von der Menügestaltung bis zur passenden Bezugsquelle.

WIRTSCHAFT ONLINE: Damit verweben Sie die regionale Landwirtschaft mit der Gastronomie und Hotellerie. Das klingt sinnvoll. Nun wissen wir aber ja auch, dass gerade in urbanen Zentren der Konsum von Speisen Trends ausgesetzt ist. Exotischer, schräger und möglichst einzigartiger … Hier regionale Erzeugnisse in den Fokus zu bringen, stelle ich mir kompliziert vor. Wie ist die Lage, speziell in Leipzig? Wird Ihr Angebot angenommen? Und mit wem arbeiten Sie hier zusammen?

Dr. Philipp Stierand: Leipzig ist offen für neue Ideen – auch in der Gastronomie. Was schrill, exotisch oder trendig wirkt, schließt regionale Zutaten keineswegs aus. Im Gegenteil: Wir zeigen, dass regionale Vielfalt kreativ, überraschend und gleichzeitig nachhaltig sein kann. Gerade in Leipzig stoßen wir auf große Offenheit bei Betrieben und Gästen. Veränderte Erwartungen machen ein Umdenken notwendig – und genau da setzen wir an.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und im Landkreis Leipzig und in Nordsachsen? Da ist die Lage doch bestimmt etwas anders?

Dr. Philipp Stierand: Die Herausforderungen im Landkreis Leipzig und in Nordsachsen sind anders gelagert – aber die Offenheit ist ebenso groß. Der Tourismus spielt hier eine zentrale Rolle. Viele Betriebe wollen sich über ein regional geprägtes Speiseangebot profilieren – erkennbar an Saison und Herkunft. Der persönliche Kontakt zwischen Gastronomie und Erzeugerbetrieben schafft Vertrauen und echten Mehrwert. Gerade im ländlichen Raum wirken regionale Identität und Nachhaltigkeit als starke Erfolgsfaktoren. Viele Individualbetriebe kämpfen mit wirtschaftlichem Druck – unsere Werkzeuge helfen dabei, neue Impulse zu setzen und das Profil zu schärfen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie beraten mit Ihrem Team sehr differenziert. Wen denn speziell wozu konkret?

Dr. Philipp Stierand: Wir beraten gastronomische Betriebe aller Art von Restaurants und Hotels bis zur Betriebs- und Gemeinschaftsverpflegung. Für Kitas, Krankenhäuser oder Behördenkantinen bieten wir ein strukturiertes Programm, das Küchen dabei unterstützt, ihr Angebot neu aufzustellen: bio, regional und zukunftsfähig. In der Individual- und Betriebsgastronomie reagieren wir gezielt auf konkrete Fragen: Wo finde ich passende Bezugsquellen? Wie gelingt eine moderne vegetarische Küche mit regionalem Bezug? Welche Gerichte stärken mein Profil? Unsere Beratung liefert praxisnahe, passgenaue Lösungen. Ergänzt wird sie durch Workshops – beispielsweise zu Fisch oder Hülsenfrüchten, regionalem Einkauf oder dem direkten Austausch mit Erzeugerbetrieben.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ihr Team hat eine hohe Expertise. Wer ist denn mit bei Ihnen dabei und welche Aufgaben haben die Personen?

Dr. Philipp Stierand: Unser Team vereint Praxiserfahrung und Fachwissen: erfahrene Köchinnen und Köche aus der Individual- und Gemeinschaftsgastronomie, Branchenkennende sowie Experten und Expertinnen der Leipziger Ernährungsszene. Eine Besonderheit sind unsere Küchentrainer – sie alle haben als ausgebildete Köche selbst jahrelang in Küchen gearbeitet. Sie wissen, wo der Schuh drückt und was im Alltag funktioniert. So stellen wir sicher, dass unsere Workshops praxisnah bleiben und unsere Beratungen zu umsetzbaren Konzepten führen, die wirklich in den Küchen ankommen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Das Projekt Stadt-Land-Küche wird von der Speiseräume Urban Food Concept GmbH umgesetzt. Was machen die Speiseräume noch?

Dr. Philipp Stierand: Speiseräume hat bundesweit über 200 Küchen beraten in Berlin, Brandenburg, Sachsen und darüber hinaus. Unsere Kantine Zukunft in Berlin gilt als Vorbild für moderne Beratungsprogramme in der Gemeinschaftsverpflegung und wurde vielfach ausgezeichnet. Darüber hinaus entwickeln wir Projekte rund um nachhaltige Ernährungssysteme. Dazu gehören praktische Küchenberatung, Workshops, politische Strategieentwicklung und Kampagnenarbeit. Unser Ziel ist es, Ernährung nachhaltiger, gesünder und wirtschaftlich tragfähig zu gestalten.

WIRTSCHAFT ONLINE: Mit Speiseräume haben Sie sich schon bei anderen Projekten beteiligt – wie beispielsweise bei SchoolFood4Change. Schlussendlich geht es auch hier um Gesundheit, um gesündere Menschen. Und gesündere Menschen sind eben auch ein Standortvorteil. Können Sie uns bitte etwas zum Vernetzungsgedanken und zu den Hintergründen, beispielsweise bei SchoolFood4Change, erzählen?

Dr. Philipp Stierand: Bei SchoolFood4Change arbeiten wir als Speiseräume europaweit mit zwölf Ländern daran, Ernährung in Bildungseinrichtungen ganzheitlich neu zu denken. Unser Ansatz verbindet Menüpläne, Lehrpläne und Raumgestaltung zu einem stimmigen Gesamtkonzept. Wir qualifizieren Küchenpersonal und Caterer, entwickeln gesunde und nachhaltige Rezepte und unterstützen Kommunen dabei, ihre Beschaffung an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten. Dabei setzen wir auf starke Netzwerke: In Kitas, Schulen, Verwaltungen und der Stadtpolitik wirken sogenannte Change Agents, die Veränderungen anstoßen und tragen. Am Ende geht es um mehr als gute Mahlzeiten. Gesündere Kinder bedeuten auch resilientere Gesellschaften und leistungsfähigere Städte. Und da kann ich Ihre Aussagen nur unterstreichen: Das ist ein echter Standortvorteil.

WIRTSCHAFT ONLINE: Auf Ihrer Homepage finde ich den Begriff der nachhaltigen Ernährungsstrategie. Was ist das denn konkret?

Dr. Philipp Stierand: Eine nachhaltige Ernährungsstrategie stärkt gesunde Ernährung, den Klimaschutz und die regionale Wirtschaft. Sie setzt gezielt dort an, wo Ernährung entsteht und wirkt: auf dem Acker, in der Verarbeitung, in der Küche und beim Einkauf. Ziel ist es, die regionale Ernährungswirtschaft zu fördern und den Zugang zu saisonalen, ökologisch erzeugten Lebensmitteln zu verbessern. Dazu gehören Maßnahmen wie eine strategische öffentliche Beschaffung, gezielte Förderinstrumente und Bildungsangebote. Im Land Bremen begleiten wir aktuell den Aufbau einer solchen Strategie. Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft arbeiten gemeinsam an einem Fahrplan für eine zukunftsfähige Ernährungspolitik, die ökologisch tragfähig, sozial gerecht und wirtschaftlich sinnvoll ist.

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie bieten auch Veranstaltungen an, die auf Ihrer Homepage gelistet sind. An wen richten sich diese? Und was vermitteln Sie?

Dr. Philipp Stierand: Unsere Veranstaltungen im Rahmen von Stadt-Land-Küche richten sich an Gastronomiebetriebe aller Art – von Kantinen bis Restaurants. Wir vermitteln praxisnahes Wissen, stellen erprobte Lösungen vor und schaffen Raum für Austausch. Im Mittelpunkt stehen konkrete Ideen, wie Nachhaltigkeit und regionale Wertschöpfung zusammen gedacht und umgesetzt werden können. Viele unserer Workshops finden in unserer Trainingsküche in der Plagwitzer Markthalle in Leipzig statt. Dort wird gemeinsam gekocht, ausprobiert und diskutiert. Die Inhalte sind so gestaltet, dass sie sich direkt auf den eigenen Betrieb übertragen lassen. Wer Lust auf neue Impulse hat, kann sich einfach über unsere Website anmelden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Dr. Stierand, für Ihre Zeit und Ihr Engagement.

Dr. Philipp Stierand: Sehr gern, herzlichen Dank für das Gespräch.

Die Initiative Stadt-Land-Küche im Netz: 

stadt-land-kueche.de

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