
KI-Agenten. Was ist das eigentlich?
19. Juni 2025Die Künstliche Intelligenz ist eine revolutionäre Technologie, welche unsere Arbeitswelt völlig verändern wird. Die Transformation beginnt gerade. Hier zu informieren, ist Aufgabe der IHK zu Leipzig. Wir sprachen mit dem Experten für KI-Agenten Jakob Ehrlich.
Dabei kommen nicht nur die Chancen, sondern auch die möglichen Gefahren zur Sprache. Wie weit ist die Technologie? Was geschieht mit den Menschen? Was kann die Technologie heute schon, gerade im Bereich der Optimierung festgefahrener Prozesse. Ein hochinteressantes Gespräch.
WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Ehrlich. Mitte Mai waren Sie als Referent der Veranstaltung „Die Zukunft der Prozessautomatisierung: KI-Agenten als Gamechanger“ in unserem Hause. Nun konnten leider nur eine begrenzte Zahl an Interessierten der Veranstaltung beiwohnen, deshalb wollen wir das Thema hier noch einmal aufgreifen. Was sind KI-Agenten eigentlich? Und was ist der Unterschied zu herkömmlicher KI?
Jakob Ehrlich: KI-Agenten sind Systeme, die eigenständig Aufgaben übernehmen, also nicht nur reagieren, sondern handeln. Im Unterschied zu klassischen KI-Tools, die Antworten liefern, führen Agenten mehrstufige Prozesse durch: Sie planen, nutzen Tools, treffen Entscheidungen. Man kann sie sich wie digitale Kolleginnen oder Kollegen vorstellen, die nicht nur Anweisungen ausführen, sondern auch mitdenken.
WIRTSCHAFT ONLINE: Gibt es unterschiedliche Arten von KI-Agenten? Wenn ja, welche und was zeichnet sie aus?
Jakob Ehrlich: Ja, es gibt einfache reaktive Agenten und hochkomplexe lernende Systeme. Manche übernehmen persönliche Aufgaben wie das Koordinieren von Terminen oder das Vorbereiten von Meetings. Andere agieren auf Prozessebene, etwa in der Logistik, der Buchhaltung oder im Kundenservice. Spannend wird es, wenn mehrere spezialisierte Agenten zusammenarbeiten und sich gegenseitig Aufgaben zuweisen. Solche Multi-Agenten-Systeme können ganze Abläufe eigenständig steuern.
WIRTSCHAFT ONLINE: Bei welchen Prozessen können KI-Agenten als Gamechanger agieren? Und wie ganz konkret?
Jakob Ehrlich: Besonders dort, wo viel Zeit für wiederkehrende Aufgaben draufgeht. In der Personalabteilung etwa können Agenten Bewerbungen vorstrukturieren, Interviewtermine koordinieren, Rückmeldungen automatisieren und auch das Onboarding begleiten: Ein Personal-Agent erstellt eine personalisierte Onboarding-Reise, der IT-Agent richtet Zugänge ein, ein Trainings-Agent empfiehlt passende Schulungen. Der neue Mitarbeitende erhält direkte Unterstützung, während die Personalabteilung entlastet wird.
Auch im Kundenservice, in der Buchhaltung oder im Vertrieb entfalten Agenten Wirkung: Sie priorisieren Anfragen, erstellen Reports, recherchieren Leads oder prüfen Dokumente. Immer dort, wo Geschwindigkeit, Präzision und Skalierbarkeit gefragt sind, schaffen KI-Agenten spürbare Effizienzgewinne.
WIRTSCHAFT ONLINE: In Ihrem Vortrag ging es auch darum, Optimierungspotenziale zu entdecken. Wie können Unternehmen hier tätig werden?
Jakob Ehrlich: Der erste Schritt ist eine ehrliche Bestandsaufnahme: Wo verbringen Mitarbeitende viel Zeit mit immer gleichen Aufgaben? Welche Abläufe könnten vereinfacht oder automatisiert werden, ohne dass die Qualität leidet? Daraus ergeben sich schnell konkrete Ideen, zum Beispiel ein digitales System, das eingehende E-Mails automatisch vorsortiert und weiterleitet, oder ein Assistent, der den Bewerbungsprozess unterstützt.
Wichtig ist, nicht gleich alles auf einmal umstellen zu wollen. Es reicht, mit einem kleinen, klar abgegrenzten Projekt zu starten. So lassen sich erste Erfahrungen sammeln und die Beschäftigten können den Nutzen direkt im Alltag erleben.
WIRTSCHAFT ONLINE: Die Transformation hin zu einer KI-getragenen Arbeitswelt wirft auch Probleme auf. Menschen, die durch Optimierungen ihres Arbeitssinns enthoben werden, können, wird der Prozess nicht positiv gestaltet, destruktiv reagieren. Wie können Unternehmen hier ihre Mitarbeitenden motivieren, am Prozess mitzugestalten?
Jakob Ehrlich: Indem man die Mitarbeitenden als Herzstück der Veränderung ernst nimmt und sie aktiv einbindet. Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug, der Wandel gelingt nur gemeinsam. Das bedeutet: ehrlich kommunizieren, Fragen zulassen und gemeinsam Lösungen erarbeiten. Wenn Mitarbeitende sehen, dass KI ihnen repetitive Aufgaben abnimmt und so Raum für wertschöpfendere Tätigkeiten schafft, wächst die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Wichtig sind dabei Schulungen, konkrete Beispiele aus dem Arbeitsalltag und das klare Signal: Ihr gestaltet mit, KI ersetzt euch nicht, sondern unterstützt euch. Führungskräfte sind jetzt gefragt: Schaffen Sie Vertrauen, fördern Sie Neugier und machen Sie Ihre Teams fit für die Zukunft.
WIRTSCHAFT ONLINE: Sie selbst, Herr Ehrlich, sind einer der drei Gründer und Geschäftsführer von BLAID. Was ist BLAID denn überhaupt und wie kam es zur Gründung? Und wer sind Ihre Mitgründer?
Jakob Ehrlich: BLAID ist eine KI-Beratung aus Leipzig. Konstantin Brauß, Jacob Armbruster und ich haben sie 2023 gegründet. Wir kommen alle aus der Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung und haben schnell gesehen: Die Potenziale von KI, besonders durch Sprachmodelle wie ChatGPT, sind enorm, aber kaum jemand weiß, wie man sie konkret nutzt.
Mit BLAID schließen wir diese Lücke. Wir analysieren Prozesse, identifizieren realistische Einsatzfelder und helfen Unternehmen, erste Projekte umzusetzen – immer gemeinsam mit den Teams vor Ort. Unser Anspruch: weniger Buzzwords, mehr Wirkung im Alltag. Und das funktioniert, weil wir Technologie mit gesundem Pragmatismus verbinden.
WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Ehrlich, für Ihre Antworten und für Ihre Neugier in Sachen KI.
Jakob Ehrlich: Sehr gern. Ich bin überzeugt: Künstliche Intelligenz wird den Arbeitsalltag in vielen Bereichen spürbar verbessern, wenn wir sie sinnvoll einsetzen. Nicht als Selbstzweck, sondern dort, wo sie Menschen entlastet und Abläufe klarer, schneller und effizienter macht. Vielen Dank für das Gespräch.