Richterhammer und Gesetzesbücher
Im Gespräch mit Christopher Donner, IHK zu Leipzig

Entgelttransparenzrichtlinie. Was ist das und wen betrifft sie?

03. Juli 2025

Gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sollte selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Deshalb wurde europaweit gesetzgebend nachgearbeitet. Schließlich stellen sich viele Fragen zur Umsetzung, Ahndung bei Nichteinhaltung usw.

Wir sprachen mit Christopher Donner, der für die IHK zu Leipzig im Bereich Beschäftigungspolitik und Fachkräftesicherung aktiv ist.

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Donner. Am 10. Mai 2023 verabschiedete das Europäische Parlament die Richtlinie 2023/970 zur „Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen“, landläufig Entgelttransparenzrichtlinie. Welche Inhalte hat diese Richtlinie denn überhaupt?

Christopher Donner: Im Zentrum der Richtlinie steht die Entgelttransparenz. Unternehmen sollen künftig verpflichtet sein, ihre Lohnstrukturen offenzulegen und geschlechtsneutrale Kriterien zur Ermittlung des Entgelts zu schaffen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten das Recht, Auskunft über die Kriterien der Entlohnung sowie das durchschnittliche Entgelt von Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Positionen einzuholen. Für Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten werden darüber hinaus regelmäßige Berichtspflichten zur Entgeltgleichheit eingeführt. Die Richtlinie sieht außerdem Sanktionen und Schadenersatzansprüche bei Verstößen vor.

WIRTSCHAFT ONLINE: Welche Unternehmen sind betroffen?

Christopher Donner: Die Entgelttransparenzrichtlinie betrifft grundsätzlich alle Unternehmen innerhalb der Europäischen Union, unabhängig von Größe oder Branche. Allerdings unterscheiden sich die konkreten Pflichten je nach Unternehmensgröße.

Alle Unternehmen – auch Kleinst- und Kleinunternehmen – sind verpflichtet, das Prinzip des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit einzuhalten und auf Verlangen Auskunft über das durchschnittliche Entgelt der Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Positionen zu geben.

Spezifische Pflichten zur Berichterstattung treffen jedoch nur größere Unternehmen. Ab 250 Beschäftigten müssen Unternehmen jährlich einen Entgeltbericht erstellen, in dem sie geschlechtsspezifische Lohnunterschiede offenlegen. Für Unternehmen mit 100 bis 249 Beschäftigten ist ein solcher Bericht alle drei Jahre erforderlich. Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten können die Berichte auf freiwilliger Basis vorlegen. Es steht den Mitgliedstaaten aber auch frei, für diese Unternehmen eine Berichtspflicht einzuführen.

Wichtig zu wissen: Die Beschäftigtenzahlen beziehen sich auf die gesamtbetriebliche Anzahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, nicht nur auf einzelne Standorte.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ab wann greift die Richtlinie und was muss bis dahin getan werden von den Unternehmen, die es betrifft? Gibt es hier terminliche Staffelungen?

Christopher Donner: Die Entgelttransparenzrichtlinie ist am 6. Juni 2023 in Kraft getreten und muss bis zum 7. Juni 2026 von der Bundesregierung in nationales Recht umgesetzt werden. Dies wird voraussichtlich über eine Novellierung des Entgelttransparenzgesetzes geschehen. Wie die Richtlinie jedoch genau umgesetzt werden soll, ist noch nicht kommuniziert worden. Ein Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor. Jedoch ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD eine Kommission vereinbart worden, die bis Ende 2025 Vorschläge zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie machen soll.

WIRTSCHAFT ONLINE: Die Entgelttransparenzrichtlinie entstand ja nicht im luftleeren Raum. Auf welchen vorherigen gesetzlichen Festlegungen beruht sie?

Christopher Donner: Das stimmt: Die Entgelttransparenzrichtlinie steht nicht isoliert, sondern baut auf einer Reihe bereits bestehender europäischer und nationaler Regelungen auf, die das Ziel verfolgen, Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern zu gewährleisten.

Eine zentrale Grundlage ist dabei der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der seit Jahrzehnten den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit festschreibt. Darüber hinaus wurde mit der Richtlinie 2006/54/EG die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen konkretisiert – insbesondere in Bezug auf Zugang zu Beschäftigung, beruflichen Aufstieg und Arbeitsbedingungen.

In Deutschland ergänzt das seit 2017 geltende Entgelttransparenzgesetz diese Regelungen, indem es individuelle Auskunftsansprüche sowie betriebliche Prüfverfahren und Berichtspflichten für größere Unternehmen vorsieht.

Die Entgelttransparenzrichtlinie greift diese bestehenden Elemente auf, geht aber deutlich weiter: Sie verpflichtet Arbeitgeber zu aktiver Transparenz, führt strengere Berichts- und Vergleichspflichten ein und verankert erstmals auch die Möglichkeit für Behörden, Verstöße systematisch zu kontrollieren und zu sanktionieren.

WIRTSCHAFT ONLINE: Gibt es eine bindende Definition für „gleiche und gleichwertige Arbeit“?

Christopher Donner: In der Richtlinie ist nicht definiert, was „gleiche Arbeit“ ist. Sie gibt jedoch Kriterien vor, anhand derer bewertet werden soll, ob eine Arbeit gleichwertig ist. Das sind unter anderem Kompetenzen, die für die Arbeit benötigt werden, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen.

Laut Entgelttransparenzgesetz handelt es sich um gleiche Arbeit, wenn identische oder gleichartige Tätigkeit ausgeführt werden. Eine Arbeit ist gleichwertig, wenn die ausgeübten Tätigkeiten nicht identisch sind, aber aufgrund von Kriterien wie der Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und der Arbeitsbedingungen vergleichbar sind.

WIRTSCHAFT ONLINE: Unterpunkt 61 der Richtlinie besagt: „Um eine angemessene Überwachung der Umsetzung des Rechts auf gleiches Entgelt sicherzustellen, sollten die Mitgliedstaaten eigens eine Überwachungsstelle einrichten oder benennen. Diese Stelle, die in eine bestehende Stelle mit ähnlichen Zielen integriert werden können sollte, sollte spezifische Aufgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung der Maßnahmen zur Entgelttransparenz nach dieser Richtlinie haben und bestimmte Daten zur Überwachung von Entgeltungleichheiten und Auswirkungen der Maßnahmen zur Entgelttransparenz erfassen. Die Mitgliedstaaten sollten mehr als eine Stelle benennen können, sofern die in dieser Richtlinie vorgesehenen Überwachungs- und Analysefunktionen von einer zentralen Stelle wahrgenommen werden.“

Ist da schon etwas geschehen? Gibt es diese Stelle schon? Hier ist der Staat ja am Zuge …

Christopher Donner: Auch hier müssen wir die Vorschläge der Kommission oder einen Gesetzesentwurf abwarten. Leider hilft hier ein Blick in das Entgelttransparenzgesetz nicht weiter, da es eine solche Überwachungsstelle nicht kennt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Gibt es Festlegungen für die Ahndung von Verstößen gegen die Entgelttransparenzrichtlinie? Wenn ja, welche?

Christopher Donner: Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Vorgaben zu erlassen. Wie diese genau ausgestaltet sein werden, ist noch nicht bekannt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wo kann man sich denn ganz konkret noch informieren?

Christopher Donner: Bei Fragen dazu, wie die Entgelttransparenzrichtlinie umgesetzt wurde und was es nun zu beachten gibt, kann man sich gerne an die IHK zu Leipzig wenden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Herr Donner, für Ihre Zeit, Ihre Antworten und Ihr Engagement.

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Christopher Donner gerne weiter.

T: +49 341 1267-1322
M: +49 151 12671444
F: +49 341 1267-1422
E: christopher.donner@leipzig.ihk.de

Porträt von Christopher Donner

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