
Digitale Barrierefreiheit: Was Sie jetzt wissen müssen!
22. Mai 2025Bis zum 28. Juni 2025 müssen die meisten Webseiten, Online-Shops und digitalen Angebote laut Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) barrierefrei sein. Doch keine Panik! Mit guter Vorbereitung und belastbaren Strategien können Unternehmen ihre Webpräsenz entsprechend anpassen.
Ganz wichtig ist, gerade in der ersten Zeit der Umsetzung wachsam zu bleiben, um nicht auf dubiose Anbietende hereinzufallen. Mit dem Verweis auf den Zeitdruck und der Einschätzung, dass viele Menschen die technischen Auflagen nicht in Gänze verstehen, versuchen einige Akteure diversen Unternehmen fadenscheinige, schnelle Lösungen zu verkaufen. Das Thema ist groß, deshalb bieten wir hier Antworten auf die zehn drängendsten Fragen, die digitale Barrierefreiheit betreffend.
1. Was ist digitale Barrierefreiheit?
2. Muss meine Website auch barrierefrei sein? Wer ist vom Barrierefreiheitsgesetz ausgenommen?
3. Was bedeutet die Deadline für Barrierefreiheit am 28. Juni 2025?
4. Welche Gesetze greifen eigentlich seit wann?
5. Kann ich meine Website selbst barrierefrei machen?
6. Was ist mit Downloads, Bildern und Videos?
7. Wie gut sind Overlay-Tools?
8. Wer prüft die Website? Wie geht das?
9. Was ist, wenn meine Webpräsenz nicht barrierefrei ist?
10. Wo finde ich mehr Informationen?
Frage 1: Was ist digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet digitale Inklusion. Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen sollten digitale Angebote genau wie Menschen ohne Einschränkung benutzen können. Barrierefreiheit kann also sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: Eine blinde Person sollte eine Seite vorgelesen bekommen, eine Person mit einer Sehschwäche braucht vielleicht angepasste Farben oder einen höheren Kontrast, manche können keine Maus oder keine Tastatur bedienen, andere brauchen eine Seite in einfacher Sprache.
Die Umsetzung ist einerseits redaktionell - Sprache und Inhalte müssen angepasst und Texte korrekt mit Überschriften strukturiert werden - und andererseits technisch: Webseiten und Apps müssen für die Programme, die Menschen bei unterschiedlichen Herausforderungen unterstützen, aufbereitet werden.
Frage 2: Muss meine Website auch barrierefrei sein? Wer ist vom Barrierefreiheitsgesetz ausgenommen?
Grundsätzlich sind alle Websites betroffen, über die Produkte oder Dienstleistungen an (private) Kunden verkauft werden.
Manche Unternehmen und Inhalte sind vom Gesetz ausgenommen. So gelten die Anforderungen nicht für Dienstleistungen anbietende Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben und über einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro verfügen. Dies gilt nur für Kleinunternehmen, die Dienstleistungen erbringen!
Weitere Ausnahmen gibt es auch bei den erfassten Produkten und Dienstleistungen. Nicht erfasst sind beispielsweise Lebensmittel, Futtermittel, lebende Pflanzen und Tiere.
Eine weitere Ausnahme bilden Online-Shops, die sich ausschließlich an gewerbliche Kunden richten (B2B).
Auch manche Inhalte sind vom Gesetz ausgenommen: So müssen zeitbasierte Medien und Dateiformate von Büroanwendungen, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden, und Inhalte, die nur Archivzwecken dienen, nicht rückwirkend barrierefrei gestellt werden.
Ausgenommen von der Umsetzung sind ebenfalls Unternehmen, die nachweisen können, dass die Belastung der Umsetzung nicht zumutbar ist. Geprüft werden an dieser Stelle insbesondere die Kosten der Umsetzung der Barrierefreiheit im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Produktes oder der Dienstleistung. Diese müssen entsprechend der im BFSG festgelegten Kriterien nachgewiesen und dokumentiert werden.
Auch wenn ein barrierefreies Angebot nie schadet, ist es für Unternehmen immer sinnvoll, sich zum Thema beraten zu lassen, bevor Zeit und Geld in den Umbau der Webpräsenz investiert werden.
Frage 3: Was bedeutet die Deadline für Barrierefreiheit am 28. Juni 2025?
Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft und alle betroffenen Unternehmen sind gehalten, ihre Online-Inhalte barrierefrei anzubieten. Es werden aber nicht alle Websites gleichzeitig an diesem Tag geprüft. Es ist davon auszugehen, dass die Überwachungsstelle in Sachsen Webshops von sächsischen Unternehmen stichprobenartig oder bei einem konkreten Anlass wie einer Beschwerde über einen nichtbarrierefreien Inhalt prüfen wird.
Nichtsdestotrotz sollten Unternehmen sich bis dahin zumindest überlegt haben, wie sie die Barrierefreiheit ihrer Online-Angebote umzusetzen gedenken
Frage 4: Welche Gesetze greifen eigentlich seit wann?
Hier verweisen wir auf die Richtlinien, Gesetze und Verordnungen zur Förderung der Barrierefreiheit und den Ablauf der Gesetzgebung.
- 2019 beschloss die EU-Kommission mit dem European Accessibility Act (hier geht es zum deutschen Text der Richtlinie) die barrierefreie Zugänglichkeit von Online-Produkten und -Dienstleistungen für alle Mitgliedsstaaten bis 2022. Seitdem greifen die Anforderungen für die digitalen Angebote öffentlicher Stellen.
- 2021 beschloss der Bundestag das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), welches die Umsetzung der Inhalte der europäischen Richtlinie vorschreibt.
- 2022 wurde dem Gesetz noch eine Verordnung (BFSGV) hinzugefügt, die unter anderem die Anforderungen und Übergangsfristen konkretisiert.
- Am 28. Juni 2025 tritt nun das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das 2021 beschlossen wurde, tatsächlich in Kraft.
- In Sachsen beschloss der Landtag 2019 das Barrierefreie-Websites-Gesetz (BfWebG).
Die Gesetze rund um die Barrierefreiheit sind in den Bundesländern teilweise sehr unterschiedlich ausgearbeitet worden.
Frage 5: Kann ich meine Website selbst barrierefrei machen?
Der redaktionelle Part der Barrierefreiheit kann, wenn die Mitarbeitenden oder Content-Erstellenden über die Anforderungen Bescheid wissen, von den betreffenden Personen umgesetzt werden, die sonst auch Texte und Bilder einpflegen. Die technische Seite muss von einem Entwickler umgesetzt werden. Eine Barrierefreiheitserklärung können Sie nach unterschiedlichen Mustern selbst erstellen. Diese muss jährlich aktualisiert werden. Die Anforderungen an die Inhalte sowie die Form der Barrierefreiheitserklärung hat der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik im Internet veröffentlicht.
Frage 6: Was ist mit Downloads, Bildern und Videos?
Auch Word- und PDF-Dateien, sofern nicht vom Gesetz ausgenommen, müssen barrierefrei angeboten werden. Für die Konformität gibt es ein kostenloses PAC-Tool, das Dateien innerhalb von Sekunden prüft und, wenn erwünscht, einen Bericht erstellt. Um die vom Tool erkannten Fehler zu beheben, braucht es in der Regel zusätzliche (kostenpflichtige) Software bei der Erstellung der Dateien. Mit manchen Programmen können auch ohne Add-ons barrierefreie PDF-Dateien erstellt werden, wie etwa Adobe InDesign. Dies setzt jedoch umfängliche Kenntnisse voraus, für die „Otto Normalverbraucher“ ein halbes Informatikstudium absolvieren muss.
Die Richtlinien, nach denen das Tool arbeitet, sind WCAG (Zugänglichkeitsrichtlinien für Internet-Inhalte) und PDF/UA (allgemeine Zugänglichkeitsrichtlinien). Beides sind ISO-Standards, PDF/UA ebenfalls ein DIN-Standard. Die Weiterentwicklung der Richtlinien wird vom W3C, dem World Wide Web Consortium als Gremium zur Standardisierung der Techniken im WWW, unter Mitwirkung von Einzelpersonen und Organisationen koordiniert.
Fotografien, Grafiken sowie Videos müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Diese brauchen Alternativtexte beziehungsweise Untertitel, damit deren Inhalte für die diversen Gruppen mit Einschränkungen auf unterschiedlichen Wegen vermittelt werden können.
Leider gibt es betrügerische Unternehmen, die extremen Zeitdruck machen und sehr aggressiv mit ihren Angeboten auf Unternehmen zugehen. Sie versprechen, komplette Websites oder Tausende von Dateien innerhalb von 24 bis 48 Stunden barrierefrei zu machen. Oft wird hierfür eine Anzahlung verlangt. Es ist dringend geboten, diese Angebote zu prüfen und sich auf gar keinen Fall unter Druck setzen zu lassen.
Frage 7: Wie gut sind Overlay-Tools?
Manche Unternehmen oder Agenturen bieten sogenannte Overlay-Tools an. Mit diesen Tools können Inhalte durch Aktivierung von Schiebern angepasst dargestellt werden. So werden beispielsweise Farben oder Kontraste angepasst, die Schriftgröße anders ausgespielt oder die Texte auf der Seite vorgelesen. Diese Tools passen die Seite an sich also nicht an, aber geben die Inhalte (vorübergehend) barrierefrei wieder.
Der Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik sieht den Einsatz dieser Tools allerdings sehr kritisch, denn: Websites sollten ab Konzept barrierefrei gedacht werden und Menschen mit Einschränkungen verwenden in der Regel eigene Hilfsmittel, die mit solchen Tools oft nicht kompatibel sind.
Frage 8: Wer prüft die Website? Wie geht das?
In Sachsen wurde das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen) als Überwachungsstelle eingerichtet. In der Regel werden die Prüfungen angekündigt. Wenn Sie einen triftigen Grund haben, die Prüfung zu verschieben, vielleicht da Sie gerade Ihre Website umgestalten, ist dies meistens möglich. Nach einer Prüfung erstellt die Prüfstelle einen Bericht, in dem alle Mängel aufgelistet werden, die Sie beheben müssen.
Privatpersonen, die über Barrieren auf einer Website oder in einer App stolpern, sollten sich über eine eindeutige Mailadresse (barrierefreiheit@) oder Telefonnummer an die oder den Barrierefreiheitsbeauftragte(n) wenden können. Nach einer Meldung sollte der entsprechende Inhalt zeitnah barrierefrei zur Verfügung gestellt werden.
Frage 9: Was ist, wenn meine Webpräsenz nicht barrierefrei ist?
Wenn Online-Inhalte den Richtlinien nicht entsprechen, muss dies zuerst von der Prüfstelle festgestellt werden. Das kann im Rahmen einer Prüfung oder nach einer Meldung passieren. Die Verantwortlichen haben nach einer Meldung oder Prüfung die Möglichkeit, Barrieren zu beheben.
Wenn dies ausbleibt, können Bußgelder bis zu einer Höhe von 100.000 Euro auferlegt werden. Verbrauchende sowie Verbände können ebenfalls Klage erheben oder wettbewerbsrechtliche Verstöße geltend machen. Da das Gesetz bis dato noch nicht in Kraft getreten ist, gibt es noch keine Erfahrungswerte über den genauen Ablauf.
Frage 10: Wo finde ich mehr Informationen?
Weiterführende Informationen finden Sie in unserer anschließenden Linksammlung.
Interviews mit Sabine Krüger und Ulla Materne vom BfIT Sachsen:
Die Einschätzung von Overlay-Tools durch den Ausschuss für barrierefreie Informationstechnik auf der Seite der Überwachungsstelle des Bundes:
Das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen), die Überwachungsstelle für den Freistaat Sachsen:
Eine Einschätzung der IHK Chemnitz:
Das kostenlose PAC-Tool für die Überprüfung von PDF-Dateien
Bei Fragen hilft Ihnen Lotte Caudri gerne weiter.
T: +49 341 1267-1121
M: +49 173 5877745
F: +49 341 1267-1474
E: lotte.caudrinoSpam@leipzig.ihk.de