Jenny Krick, IHK zu Leipzig | © Anja Jungnickel
KI-Expertin der IHK zu Leipzig Jenny Krick

Die Entwicklungen rund um KI sind rasant und werden den Markt nachhaltig verändern.

31. Juli 2025

Beim Thema KI pendelt das Lot des Diskurses scheinbar nur zwischen den Polen Euphorie, Ermüdung und Angst. Hier differenzierte Argumente einzubringen, ist Teil des Informationsauftrags der IHK zu Leipzig.

Deshalb sprachen wir mit Jenny Krick, die im Haus dem KI-Kompetenzteam angehört, über Datensicherheit im globalen Wettbewerb, die Veränderung der Arbeitswelt und Vergleiche zwischen den internationalen KI-Leuchttürmen und dem hiesigen Stand.

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Jenny Krick. Sie begleiten für die IHK zu Leipzig die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und andere Digitalisierungsprozesse. Dabei ist die Einführung von KI ebenfalls eines Ihrer Themen. Sie haben erwiesenermaßen eine eher pragmatische Sicht auf die Entwicklungen, was wohltuend im Diskurs wirkt. Wo steht Deutschland derzeit im Vergleich mit anderen Ländern wie der VR China, den USA, aber auch beispielsweise Frankreich, Dänemark, Finnland, Belgien oder den Niederlanden?

Jenny Krick: Deutschland ist bei der Entwicklung und Nutzung von Künstlicher Intelligenz gut aufgestellt, aber im internationalen Vergleich nicht an der Spitze. Länder wie die USA und China investieren deutlich mehr und haben oft kürzere Wege von der Forschung in die Anwendung. Gleichzeitig zeigt sich in Europa – etwa in Frankreich oder den nordischen Ländern – eine größere Dynamik bei der Umsetzung in Unternehmen. Deutschland punktet mit starker Industrie, hoher Qualität in der Forschung und einem verantwortungsbewussten Umgang mit KI. Jetzt gilt es, Mut zu fassen und KI aktiv in die Praxis zu bringen – mit klaren Werten, aber auch mehr Tempo.

WIRTSCHAFT ONLINE: Das bedeutet jetzt also: Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran?

Jenny Krick: Aktuell wird oft der Eindruck vermittelt, dass besonders schnell gehandelt werden muss, um nicht abgehängt zu werden. Sofort auf das erstbeste Pferd zu setzen, ist jedoch kein guter Weg. Es wird zudem viel versprochen, was mit KI möglich ist, was in der Realität bei gut funktionierenden, gewachsenen Strukturen und Prozessen jedoch auf viele Hürden stoßen kann. Es zählt, informierte Entscheidungen treffen zu können. Und dies ist nur möglich, wenn man sich mit der Thematik auseinandersetzt, die Informationsangebote und Weiterbildungen nutzt, die es gibt, und mit kleineren Projekten anfängt. Oft wird man hierbei feststellen, dass zunächst Grundlagen im Unternehmen geschaffen werden müssen, um KI überhaupt sinnvoll einzusetzen (sogenannte „KI-Readiness“). Dazu zählen zum Beispiel die IT-Infrastruktur oder die Datenhaltung.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wir müssen den Fakt realistisch wahrnehmen und damit arbeiten, dass die KI den Markt revolutionieren wird. Das schafft Ängste. Wie können regionale Unternehmen, gerade KMU ohne große KI-Abteilungen, damit umgehen, was da auf sie zurollt?

Jenny Krick: Die Entwicklungen rund um KI sind rasant – und richtig, sie werden den Markt nachhaltig verändern. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen dürfen nicht hoffen, dass dieser Trend an ihnen vorbeigeht. Wer die Augen verschließt, riskiert, den Anschluss zu verlieren. Auch wenn der Alltag oft wenig Raum lässt: Es ist wichtig, bewusst Zeit für Geschäftsführung und Mitarbeitende einzuplanen, um sich mit den Chancen und Auswirkungen von KI auseinanderzusetzen. Schon kleine Schritte – etwa durch Weiterbildungen oder den Austausch mit anderen Unternehmen – können helfen, Berührungsängste abzubauen. KI ist kein Zukunftsthema mehr, sondern eine Gestaltungsaufgabe für heute. Und dies geht weit über Recherche und Textoptimierung hinaus. Besonders spannend sind dabei auch die Möglichkeiten der Prozessautomatisierung.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ein großes Thema ist die Datensicherheit. Derzeit nutzen viele Unternehmen Angebote von amerikanischen Tech-Konzernen. Die Frankfurter Allgemeine formulierte, dass Europa eine „Datenkolonie“ Amerikas wäre. Wie ist denn hier der derzeitige Zustand bei den europäischen, vielleicht gar deutschen Angeboten? Welche Lösungen sind denn schon da, um den Abhängigkeiten zu entgehen?

Jenny Krick: Es stimmt, dass viele KI-Anwendungen aktuell über große US-Plattformen laufen – doch es gibt auch sehr gute deutsche und europäische Alternativen. Je nach Anwendungsfall lohnt es sich, bewusst zu prüfen, welche Tools genutzt, und vor allem, wo die Daten gespeichert und verarbeitet werden. Aber auch wenn es sich um deutsche Anbieter handelt und der Server in Europa stehen, steckt häufig ein amerikanischer Anbieter wie Microsoft dahinter – und damit gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, kann auf deutsche Lösungen setzen, bei denen sowohl die Infrastruktur als auch der Datenschutz vollständig in europäischer Hand sind. Zusätzlich besteht bei einigen KI-Modellen die Möglichkeit, sie lokal auf eigenen Servern zu betreiben – das erfordert zwar technisches Know-how, ermöglicht aber volle Datenkontrolle und maximale Sicherheit. Klar ist aber auch, dass wir bereits lange vor den aktuellen KI-Entwicklungen unsere Daten in US-amerikanische Konzernhände gelegt haben und legen – man denke nur an das E-Mailprogramm, was ein Großteil der Unternehmen nutzt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wie kommen Unternehmen an belastbare Informationen zu hier in Europa entwickelten KI-Tools?

Jenny Krick: Hier den Überblick zu behalten, ist tatsächlich nicht einfach. Allein die schiere Menge an Tools, die sich stetig erhöht, macht die Recherche und Entscheidung nicht leichter. Es gibt aber mittlerweile spezialisierte Suchmaschinen für KI-Tools, die einen Überblick über Modelle je nach Anwendungsfall und Einsatzgebiet bieten – auch speziell für deutsche bzw. europäische Lösungen. Je nach Branche lohnt sich auch der Blick in Netzwerke oder Fachverbände, die den Austausch fördern und praxisnahe Informationen bereitstellen. Es gibt zudem einige geförderte Initiativen wie die Mittelstand-Digital Zentren in Deutschland, die gezielt kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung unterstützen und mittlerweile den Fokus auf KI setzen. Sie können bei der Auseinandersetzung mit dem Thema sowie der Auswahl oder auch Entwicklung passender Lösungen helfen. Auch Newsletter zu KI sind hilfreich, mit denen man auf dem Laufenden bleibt und neue Entwicklungen kompakt aufbereitet bekommt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und bei der Mitarbeitendenbindung? Derzeit haben wir vielerorts einen Fachkräftemangel. Dies wird sich – auch durch Digitalisierung und KI – auf diversen Wirtschaftsfeldern ändern. Menschen werden dabei ihrer sinnstiftenden Tätigkeit verlustig gehen. Die Geschwindigkeit der Veränderung ist ja auch immens. Wie können Unternehmen mit den daraus resultierenden Problemen umgehen?

Jenny Krick: Die Einführung von KI verändert Aufgaben und Arbeitsprofile – das kann verunsichern, bietet aber auch große Chancen. Unternehmen sollten ihre Mitarbeitenden frühzeitig mitnehmen, transparent kommunizieren und durch gezieltes Change Management Ängste abbauen. Wenn wiederkehrende Tätigkeiten wegfallen, entstehen Freiräume für anspruchsvollere, kreative oder zwischenmenschliche Aufgaben – das steigert die Attraktivität vieler Jobs. Gleichzeitig eröffnen sich durch KI neue Geschäftsfelder und Modelle, in denen menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Problemlösung oder strategisches Denken besonders gefragt sind. Wer diesen Wandel aktiv gestaltet, positioniert sich auch besser im Wettbewerb um neue Talente und Auszubildende, für die der Umgang mit KI schon heute selbstverständlich ist. Aber neben der positiven Sicht wird es in der Realität nicht ausbleiben, dass Jobs verloren gehen und sich nicht alle Menschen so schnell neu orientieren können. Hier müssen auch von Politik und Gesellschaft noch Lösungen gefunden werden, diese negativen Effekte abzumildern.

WIRTSCHAFT ONLINE: Können Sie uns abschließend bitte einige Sätze sagen, um den Prozess aus Ihrer Sicht einzuschätzen?

Jenny Krick: Der Prozess der KI-Einführung ist kein Sprint, sondern ein laufender Wandel, der Unternehmen vor Herausforderungen, aber auch vor große Chancen stellt. Wichtig ist, frühzeitig aktiv zu werden, offen für Veränderungen zu sein und KI als Werkzeug zu verstehen, das Menschen unterstützt – nicht ersetzt. Wer Schritt für Schritt KI-Lösungen integriert und gleichzeitig Mitarbeitende einbindet, schafft Vertrauen und Innovationskraft. So kann KI helfen, Prozesse effizienter zu machen, neue Geschäftsfelder zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Letztlich geht es darum, die Zukunft mitzugestalten, statt ihr nur hinterherzulaufen oder gar abgehängt zu werden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Frau Krick, für Ihre Zeit, Ihre Antworten und Ihre differenzierte Sicht auf die anstehenden Entwicklungen.

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Jenny Krick gerne weiter.

T: +49 341 1267-1176
M: +49 151 12671378
F: +49 341 1267-1290
E: jenny.krick@leipzig.ihk.de

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