Bürgermeister Vetter vor der Baustelle Bahnhof Beilrode | © GV Beilrode / Jack
Bürgermeister René Vetter aus Beilrode

„Das Leben hört nun mal nicht an der Landesgrenze auf.“

18. September 2025

Der Weiterbetrieb der S-Bahn-Strecke S4 ist nicht gesichert. So soll, laut Zweckverband Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL), die S4 nicht mehr von Leipzig bis Falkenberg (Brandenburg) führen, sondern vorzeitig enden. Was das bedeutet, fragten wir den Bürgermeister von Beilrode, René Vetter.

Herr Vetter macht im Gespräch ganz klar deutlich, dass diese Entscheidung für den Standort Nordsachsen katastrophal wäre und unbedingt abgewendet werden muss. Die IHK zu Leipzig sieht den Erhalt und Ausbau länderübergreifender ÖPNV-Angebote für essenziell für die wirtschaftliche Entwicklung. Im Kontext des Strukturwandels in Mitteldeutschland und der Westlausitz wäre es ein fatales Signal, die Verkehrsverbindung S4 zu streichen.

WIRTSCHAFT ONLINE: Guten Tag, Herr Vetter. Was würde das Aus der S4 für Beilrode als Standort bedeuten?

René Vetter: Das mögliche Aus der S4 wäre ein schwerer Schlag für unsere ostelbische Region. Der S-Bahn-Halt Beilrode ist der wichtigste Standortvorteil und -faktor für unsere ländliche Gemeinde. Die S4 ist darüber hinaus auch von wesentlicher Bedeutung für das „Eisenbahndrehkreuz“ Falkenberg/ Elster. Das Leben hört nun mal nicht an der Landesgrenze auf.

WIRTSCHAFT ONLINE: Ihre touristischen, gastronomischen, aber auch andere Wirtschaftsunternehmen sind auf Menschen von außerhalb angewiesen. Welcher Verlust für diese steht im Raum?

René Vetter: Der ÖPNV – genauer gesagt die S-Bahn – gewinnt zunehmend an Bedeutung. Im kommenden Jahr werden wir den ehemaligen Bahnhof für fast 3 Millionen Euro zum Bürger- und Begegnungszentrum umgebaut haben und eröffnen. Damit gibt es dann hier im Bürgerzentrum unter anderem eine Arztpraxis, die sich von einem auf drei Ärzte erweitern wird. Die S-Bahn war und ist mit eine der Bedingungen für dieses Projekt.

WIRTSCHAFT ONLINE: Menschen aus Beilrode pendeln auch in die umliegenden Städte, ältere Menschen brauchen ebenfalls den ÖPNV. Sind die Argumente der Rentabilität, die die Verantwortlichen anbringen, überhaupt nachvollziehbar für die Menschen? Welches Gefühl bleibt bei den Beilroderinnen und Beilrodern? Verständnis dürfte hier rar gesät sein …

René Vetter: Das Nahverkehrsangebot ist in den zurückliegenden Jahren stetig gewachsen und wird von immer mehr Menschen nicht nur akzeptiert, sondern als Teil der Daseinsvorsorge verstanden. S-Bahn und Regionalexpress sind voll! Von Beilrode aus bin ich in zirka 45 Minuten auf dem Leipziger Hauptbahnhof. Das schaffe ich mit dem Auto nicht. Natürlich sehen die Menschen, dass Energie und Personal teurer geworden sind. Sie sehen auch, dass das Deutschlandticket Bahnfahren für viele billiger macht, die Anbieter aber weniger Geld einnehmen. Nicht verstehen können sie, dass sie unter diesem Widerspruch leiden sollen. Wenn also beim ZVNL – dem letzten Glied der Kette – durch steigende Kosten und geringere Einnahmen weniger Geld ankommt, müssen die Finanzierungslücken durch Bund und Land vollständig geschlossen werden. Weiterhin darf nicht vergessen werden, wie wichtig die Verbindungen für auswärtige Schülerinnen und Schüler unserer Oberschule und für die Auszubildenden unserer Region sind. Eine gute Vernetzung im Stundentakt ist dafür eine Grundvoraussetzung!

WIRTSCHAFT ONLINE: Der ländliche Raum wird in politischen Sonntagsreden immer wieder gern beschworen, nun sind die ausstehenden Entscheidungen hier gerade wirklich kontraproduktiv. Bezogen auf CO₂-Ausstieg etc. sogar absolut destruktiv, von Ansiedlungen ganz zu schweigen. Wie schätzen Sie die Lage ein, Herr Vetter?

René Vetter: Es gibt große Unterschiede zwischen der Großstadt und der ländlichen Region. Der S-Bahn-Halt ist wichtig – überregional betrachtet – und trotzdem braucht fast jeder hier ein Auto. Zum Wocheneinkauf fährt fast niemand mit dem Bus, das ist Quatsch! Für die Energiewende wiederum investieren wir als ländliche Gemeinde viel mehr als manche Großstadt. So haben wir in diesem Jahr mit 116 Megawatt einen der größten Solarparks Sachsens ans Netz genommen. Im kommenden Jahr kommt ein zweiter Solarpark mit weiteren 20 Megawatt hinzu.

WIRTSCHAFT ONLINE: Was kann noch getan werden, um die Entscheidenden zu beeinflussen?

René Vetter: Letztendlich liegt es immer am lieben Geld, kein Geld – kein Zug! Ich hoffe sehr, dass der ZVNL noch eine Lösung findet, und vor allem, dass Bund und Land die Finanzlücke schließen!

WIRTSCHAFT ONLINE: Wir sind an Ihrer Seite, Herr Vetter, danke für Ihre Zeit und Ihr Engagement.

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