Buchhandlung Seitenblick Leipzig Ansgar Weber
Lokaler Buchhandel

Auf Buchmenschen ist Verlass

13. April 2023

Gespräch mit dem Buchhändler Ansgar Weber

Die Krisen und Kriege unserer Zeit bringen viele Unternehmen sichtbar in Bedrängnis. Der inhabergeführte Buchhandel hat es da besonders schwer, schließlich stehen keine großen Ketten hinter ihm und krisenbezogene Kaufängste kommen sofort zum Tragen. Die Buchhandlung SeitenBlick, am Lindenauer Markt sesshaft, setzt trotzdem Akzente. Dafür bekamen Ansgar Weber und seine Partnerin Jaqueline Simon den Deutschen Buchhandlungspreis 2016, 2019 und 2022 in der Rubrik „Hervorragende Buchhandlung“ verliehen. Wir sprachen mit Ansgar Weber.

WIRTSCHAFT ONLINE: Der inhabergeführte Buchhandel kämpft seit Jahren mit Schwierigkeiten. Wie haben sich die Veränderungen während der Pandemie und dem jetzigen Krieg in der Ukraine auf euren SeitenBlick ausgewirkt?

Ansgar Weber: Die Krisen haben sich unterschiedlich ausgewirkt. Sehr bemerkbar machen sich seit geraumer Zeit die Preiserhöhungen, die zum einen auch die Buchpreise mit einer so nicht gekannten Dynamik treiben. Wobei Bücher vorher lange sehr preisstabil waren. Zum anderen sorgt das für die Verschiebung von Erscheinungsterminen und belastet überhaupt stark die produzierenden Verlage, denen wir ja die Titelvielfalt und somit unser Angebot verdanken. Auf die sehr besonderen Corona-Umstände – in Sachsen bedeutete das mehrfach wochenlange Schließung – konnte gerade der inhabergeführte Buchhandel teilweise sehr flexibel und engagiert reagieren. Das wurde ihm nicht nur von angestammten, sondern auch von vielen neu hinzugewonnenen Kundinnen und Kunden gedankt. So haben wir diese Zeit wirtschaftlich sehr gut überstanden, wenn wir auch nervlich und physisch, wie so viele andere ebenfalls, einige Federn lassen mussten.

WIRTSCHAFT ONLINE: Seit wann sind Sie am Lindenauer Markt ansässig?

Ansgar Weber: Seit dem 23. April 2004, nicht ganz zufällig auch der Welttag des Buches.

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie engagieren sich im Ehrenamt – beispielsweise in der Fritz Rudolf Fries Gesellschaft (e. V.) – weshalb?

Ansgar Weber: Ehrenamtliches Engagement liegt uns sicherlich schon an sich nicht fern. Aber die Gründung dieser Gesellschaft war eine Frucht und Folge unserer langjährigen Beschäftigung mit Autorinnen und Autoren, deren Lebensweg eng mit dem Leipziger Westen verknüpft war und ist. Unter den verschiedenen Literarischen Spaziergängen, die wir konzipiert und durchgeführt haben, war 2015 der erste Spaziergang zu Fritz Rudolf Fries, dessen außergewöhnlicher DDR-Roman „Der Weg nach Oobliadooh“ in weiten Teilen in Leutzsch spielt. Daraus ergab sich ein Netzwerk von Fries-Enthusiasten und Familienangehörigen von Fritz Rudolf Fries, sodass es danach verlangte, etwas für diesen herausragenden, aber im Vergessen befindlichen Schriftsteller zu tun.

WIRTSCHAFT ONLINE: Der Deutsche Buchhandlungspreis soll nun Thema sein – aus dem Preisgeld von 2016 haben Sie das „Fries-Buch“ finanziert. Was haben Sie mit den Preisgeldern der beiden anderen Siege getan?

Ansgar Weber: Das Preisgeld des letzten Preises ist erst kürzlich auf dem Konto gelandet und noch gar nicht verplant. Wir werden aber sicherlich damit fortfahren, unseren Laden an der einen oder anderen Stelle aufzuhübschen. Im Prinzip dienen diese Gelder aber auch dazu, überdurchschnittliches buchhändlerisches Engagement zusätzlich abzustützen. Denn über große finanzielle Reserven verfügen Buchhandlungen häufig nicht.

WIRTSCHAFT ONLINE: Wie können die kommunalen und sächsischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger unterstützend agieren?

Ansgar Weber: Ganz konkret wäre natürlich schon viel gewonnen, wenn die Vergabe von institutionellen Aufträgen, wie beispielsweise Schulbuch- oder Bibliotheksbestellungen, primär an den lokalen Buchhandel adressiert würde. Allgemein würde man sich wünschen, dass verstanden wird, dass Buchhandlungen mehr und sogar anderes sind als wirtschaftliche Einheiten. Sie können kulturelle Werte vermitteln, Bildungsimpulse geben und können wichtige Orte sozialen Lebens sein.

WIRTSCHAFT ONLINE: In einem Interview von Anfang 2017 sagten Sie auf die Frage: „Ihr straft mit eurer Arbeit ja das Unkentum zum Buchmarkt Lügen. Woran, glaubt ihr, liegt es, dass so viele Buchmenschen so gerne den Teufel an die Wand malen und vom Untergang des Lesens schwadronieren?“: „Untergang des Lesens ist, glauben wir, erst einmal Unsinn. Dann ist Pessimismus vielen Menschen eigen, nicht nur Buchmenschen. Gelesen wird aber wohl noch lange, nur wie das in näherer oder fernerer Zukunft aussehen wird, das ist eine andere Frage. Wir sind da einerseits aufgeschlossen, andererseits aber schon Verfechter des handgreiflichen Buches und glauben auch recht unverrückt an dessen Qualitäten.“Sie haben darin auf die Zukunft verwiesen. Wie sieht heute die Lage aus? Wie steht es um das „handgreifliche“ Buch?

Ansgar Weber: Einerseits ist auf Buchmenschen, auf Menschen also, die ein engeres Verhältnis zu Büchern haben, sehr wahrscheinlich auch weiterhin Verlass. Andererseits macht sich seit einigen Jahren ein etwas Besorgnis erregender Trend bemerkbar, zu dem der Verlust oder zumindest die Minderung von Lesekompetenzen gehört. Diesen Trend gilt es anzuhalten, wenn das anspruchsvollere, verrückt-abseitige, grenzüberschreitend-quere, wissenssatt-komplexe, ironisch-spielerische Buch eine Zukunft nicht nur für Spezialistinnen und Spezialisten haben soll.

WIRTSCHAFT ONLINE: Danke, Ansgar Weber, für die Antworten und das Engagement.

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