Woehlermann Peggy
Gespräch mit der Verantwortlichen für das Sachverständigenwesen Peggy Wöhlermann

Ein Agieren im rechtsfreien Raum ist nicht möglich

27. Oktober 2022

Gespräch mit der Verantwortlichen für das Sachverständigenwesen bei der IHK zu Leipzig Peggy Wöhlermann

Was machen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IHK zu Leipzig überhaupt den ganzen Tag? Um diese Frage zu beantworten, etablieren wir in der WIRTSCHAFT ONLINE eine Serie, die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Tätigkeitsfeldern vorstellt.

Frau Peggy Wöhlermann beispielsweise ist verantwortlich für das Sachverständigenwesen. Sie gab uns ein Interview:

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie arbeiten bei der IHK zu Leipzig im Bereich Sachverständigenwesen. Was machen sie denn dort überhaupt?

Peggy Wöhlermann: Im Bereich des Sachverständigenwesens gibt es eine ganze Reihe an Aufgaben, die sehr umfangreich sind.

In erster Linie bin ich dafür zuständig, Sachverständige öffentlich zu bestellen und zu vereidigen. Sie sollen der Öffentlichkeit (Gerichten, Behörden, Privatpersonen) für ihre Fragestellungen und Gutachtenaufträge zur Verfügung stehen. Dabei bestellt die IHK zu Leipzig in 158 Sachgebieten, von A wie Ackerbau, über E wie Energiewirtschaft, U wie Unternehmensbewertung bis W wie Weinbau.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und wie sieht das ganz konkret aus?

Peggy Wöhlermann: Ich begleite die Antragsteller vom Erstgespräch als Interessent bis zum Abschluss ihres Verfahrens mit der Bestellung und Vereidigung. Ein solches Verfahren dauert in der Regel mehrere Jahre und ist sehr anspruchsvoll. Es sind zahlreiche Dokumente und Unterlagen einzureichen und es gibt immer wieder Gespräche über den weiteren Ablauf oder Zwischenergebnisse im Verfahren.

Nach der Bestellung des Sachverständigen – die in der Regel fünf Jahre läuft – führe ich die Aufsicht über die Sachverständigen. Bei Beschwerden habe ich diesen immer nachzugehen und zu prüfen, ob sie begründet oder unbegründet sind und dann ggf. aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen den Sachverständigen einzuleiten oder zu verhängen.

Da ich jeden Sachverständigen persönlich kenne, kann ich bei Anfragen nach speziellen Sachverständigen bspw. durch Gerichte (ca. 100 im Jahr) immer den passenden Sachverständigen benennen oder mit dem Gericht erörtern, welche Fragestellungen beantwortet werden sollen und welcher Sachverständige genau der Richtige ist.

WIRTSCHAFT ONLINE: Die Digitalisierung ist ein weiteres großes Thema. Wie sieht es denn da beim Sachverständigenwesen aus?

Peggy Wöhlermann: Das stimmt. Ich bin im Digitalisierungsprojekt SV-Wesen als Vertreterin für Sachsen tätig. Die Projektgruppe tagt mindestens einmal wöchentlich und programmiert zusammen mit dem IT-Dienstleister agil die neuen Webanwendungen. So haben wir nach 1,5 Jahren im Januar 2022 das neue Sachverständigenverzeichnis unter www.svv.ihk.de an den Start gebracht – ein Portal, in dem man bundesweit den geeigneten Sachverständigen finden kann.

Weiterhin habe ich in diesem Jahr in Leipzig den 29. Sächsischen Sachverständigentag organisiert, eine wichtige Weiterbildungsveranstaltung für die sächsischen Sachverständigen. Dieser Tag fand am 22. September 2022 statt.

Auch mit dem Institut für Sachverständigenwesen (IfS e.V.) führen wir im Jahr ca. vier Seminare für Sachverständige durch, die ich betreue.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und nach innen in die Strukturen der IHK zu Leipzig hinein? Es gibt Ausschüsse, Fachgremien und bundesweite Arbeitskreise …

Peggy Wöhlermann: Ja, intern gibt es ebenfalls zahlreiche sehr wichtige Strukturen und Gremien, ohne die die Arbeit im Sachverständigenwesen nicht funktionieren würde.

Als Vertreterin für Sachsen bin ich im Arbeitskreis SV-Wesen DIHK, der Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern, tätig. Dieser Arbeitskreis erarbeitet die Grundlagen für die tägliche Arbeit – die Mustersachverständigenordnung, Richtlinien zur Mustersachverständigenordnung sowie Bestellungsvoraussetzungen für die Sachgebiete, in denen bestellt werden kann. Dieses ist enorm wichtig, um in allen Bundesländern eine einheitliche Bestellpraxis sicherzustellen. In der IHK zu Leipzig ist es dann meine Aufgabe, die Sachverständigenordnung als Satzungsrecht dem Präsidium und der Vollversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen.

Dann betreue ich den Sachverständigenausschuss, ein Gremium mit 17 Mitgliedern, öffentlich bestellte Sachverständige verschiedener Sachgebiete, Unternehmer, ein Richter und ein Rechtsanwalt. Die Arbeit mit dem Ausschuss mag ich sehr. Der Austausch ist stets konstruktiv und die Zuarbeiten der Ausschussmitglieder Grundlage eines jeden Bestellungsverfahrens, da die Ausschussmitglieder die eingereichten Gutachten der Sachverständigen im Bestellungsverfahren prüfen und beurteilen. Wir treffen uns ca. drei- bis viermal pro Jahr, je nachdem wie viele Verfahren zu besprechen sind.

Auch an den Sitzungen der Sachverständigenausschüsse der Ingenieurkammer und Architektenkammer Sachsen nehme ich teil.

Eine weitere sehr wichtige Aufgabe ist die Betreuung des Fachgremiums „Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken“. In Leipzig gibt es dieses Fachgremium seit 1992, wir haben es im Januar 2021 wieder neu berufen. Es besteht aus vier Experten im Sachgebiet „Immobilienbewertung“. Diese führen im Rahmen der Bestellungsverfahren die Überprüfung der besonderen Sachkunde durch, lesen und beurteilen Gutachten, kontrollieren schriftliche Ausarbeitungen und führen mündliche Fachgespräche. Wir konnten dieses Mal Kandidaten aus Heilbronn, Offenbach, Trier, Suhl und Leipzig zur Überprüfung begrüßen.

Nicht zuletzt bin ich auch für Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben oder Anfragen von Bund und Ländern, die jährliche Überarbeitung von Merkblättern und weiteren Dokumenten (Vorlagen, Checklisten, Formularen, Verfahrensanweisung, Arbeitsanweisung, Flyer, Broschüre) sowie die Betreuung von Referendaren und Praktikanten zuständig.

WIRTSCHAFT ONLINE: Sie sind auch für die Bescheide der Sachverständigen zuständig. Was für Bescheide sind das?

Peggy Wöhlermann: Das sind in der Regel Bestellungsbescheide für Sachverständige. Wir als IHK zu Leipzig erlassen den Verwaltungsakt (Regelung, dass ein Sachverständiger für fünf Jahre bestellt wird) und dieser wird schriftlich mit einer Begründung abgegeben.

Einen solchen Bescheid erhält der Sachverständige im Übrigen auch aller fünf Jahre, immer dann, wenn er erneut bestellt wird, denn wir prüfen das Vorliegen der Voraussetzungen aller fünf Jahre wieder.

Wenn ein Sachverständiger nicht mehr über alle Bestellungsvoraussetzungen verfügt – bspw. ist er nicht mehr persönlich geeignet – dann würde ich einen Widerrufsbescheid erlassen. Die öffentliche Bestellung würde damit entzogen werden.

WIRTSCHAFT ONLINE: Und abschließend die Frage, liebe Frau Wöhlermann: Was wünschen Sie sich für Ihre weitere Tätigkeit hier im Sachverständigenwesen in der IHK zu Leipzig?

Peggy Wöhlermann: Ich wünsche mir Offenheit, Kreativität und klare Ziele. Von den Sachverständigen und denen, die es noch werden wollen, wünsche ich mir den Mut, ihre Probleme, Fragen und Sorgen offen anzusprechen.  

Ich weiß nicht immer, wo „der Schuh drückt“ und welche „Bauchschmerzen“ es gibt. Manchmal tun sich in der täglichen Arbeit Probleme auf, die ich hier in der IHK zu Leipzig nicht mitbekomme. Es ist wichtig, dass sie an mich herangetragen werden, nur so kann ich die Probleme verstehen und ergebnisorientierte Lösungen finden.

Außerdem wünsche ich mir das Verständnis dafür, dass ich als Juristin immer nur innerhalb der bestehenden Rechtsgrundlagen tätig werden kann.

Die Akzeptanz und das Zuhören und Verstehen, dass ein Agieren im rechtsfreien Raum als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht möglich ist, sind da ganz besonders wichtig.

Ihre Kontaktperson

Bei Fragen hilft Ihnen Peggy Wöhlermann gerne weiter.

T: +49 341 1267-1311
F: +49 341 1267-1422
E: peggy.woehlermann@leipzig.ihk.de

Porträt Peggy Wöhlermann

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