WIRTSCHAFT Gastbeitrag
Entwicklungen in der Immobilienwirtschaft
Prof. Rainer Hummelsheim, Vorstandsmitglied Immobilienverband Deutschland IVD Mitte-Ost e.V. zu den Klimaschutzzielen

Die Weltklimakonferenz 2021 in Glasgow hat in ihrer Schlusserklärung angekündigt, den Kampf gegen die Erderwärmung auf max. 1,5 ° zu intensivieren. Kohle und andere fossile Energieträger wurden erstmals zum Auslaufmodell erklärt.
Die Europäische Union hat im Dezember 2019 den „European Green Deal“ mit dem Ziel vorgestellt, bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Mit dem Paket „Fit for 55“ hat die Europäische Union ein aktuelles Paket in 2021 zur Erreichung der angestrebten Klimaneutralität vorgelegt. Der Handel mit CO2-Emissionen wird verschärft und damit teurer als Anreiz für Effizienzsteigerungen. Die Energieversorgung soll umgebaut werden durch signifikante Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien.
In Deutschland wurde im August 2021 das nachgebesserte Klimaschutzgesetz 2021 mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 beschlossen. Der Ausstieg aus der Kernenergie in 2022 war bereits beschlossen, ebenso aus der Kohleverstromung bis 2038.
Einige Beispiele der Maßnahmen der Bundesregierung zur Erreichung der Klimaschutzziele:
- Milliardenprogramme für die energetische Gebäudesanierung durch Erneuerung von Heizungsanlagen, energetischer Gebäudesanierungen und für die Energieberatung, dazu wurde die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) neu aufgesetzt und anwendungsfreundlicher gestaltet.
- Wegfall der Förderungen von Heizungen ab 2023, die ausschließlich mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.
- Einführung einer CO2-Abgabe auf Wärme mit stufenweiser Anhebung von 25 € / t in 2021 bis 55 – 65 € / t in 2025 und voraussichtlich auf 200 € / t in 2030, die Wohnnebenkosten werden spürbar steigen.
- Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vereinheitlicht seit 2020 das Energieeinsparrecht und setzt neue Impulse zur Nutzung innovativer Ansätze beim energieeffizienten Bauen.
- Vorbereitete Novellierung der Heizkostenverordnung mit der Verpflichtung zur monatlichen Information an die Verbraucher über den Verbrauch bei fernauslesbaren Messgeräten ab 2022. Ab 2026 sind fernauslesbare Messgeräte verpflichtend.
Klimaschutz ist wichtig und unstrittig erstrebenswert, jeder kann und muss einen Beitrag leisten. Für die Immobilienwirtschaft ist der Klimaschutz eine echte Herausforderung, sowohl für die Vermieter als auch die Mieter. Beim Neubau und bei der Modernisierung ist eine Vielzahl von Regularien auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene zu beachten, dies führt regelmäßig zu Mehrkosten, die das Wohnen teurer machen. Die Baupreise steigen durch die Mindestlohnerhöhungen, die Materialkostenentwicklungen und die rückläufige Handwerkerverfügbarkeit. Investitionen lassen sich über die Miete bei Neuvermietung oder durch Modernisierungsumlagen durch unser soziales Mietrecht nicht mehr rentabel darstellen. Modernisierungsbedingte Investitionskosten für energetische Maßnahmen führen nicht zu Energieeinsparungen in gleicher Höhe bei den Verbrauchskosten, die Wohnkosten steigen. Die Deaktivierung des Standby-Modus in den Wohnungen könnte durchschnittlich jährlich 115 € Kostenersparnis pro Wohnung bedeuten, jeder kann also einen Beitrag leisten. Diese Energieverschwendung beträgt ca. 10 % des Gesamtverbrauchs weltweit.
Einige mir bekannte praktische Beispiele aus Leipzig für die Schwierigkeiten bei gewolltem Engagement für den Klimaschutz:
- Die Installation einer E-Ladesäule im Vorgartenbereich wurde aus Denkmalschutzaspekten abgelehnt.
- Der alternative Anschluss an die Fernwärmeversorgung anstelle der vorhandenen Gasversorgung wäre mit einem hohen fünfstelligen Betrag nur für den Hausanschluss realisierbar gewesen.
- Die Dämmung einer Fassade einschließlich der Verblechung der Fensterbänke wurde aus Denkmalschutzaspekten abgelehnt.
- Die Empfehlungen von Energieberatern verweisen auf energetisches Optimierungspotenzial von Bestandsgebäuden, die aus wirtschaftlichen Gründen – auch für Selbstnutzer – allerdings nicht empfohlen werden.
- Das Ladeinfrastrukturkonzept für E-Fahrzeuge in Leipzig vom 07.07.2020 ist für eine Realisierung im konkreten Bedarfsfall nicht geeignet, sodass keine örtliche Gesamtlösung für alle Anwohner, sondern nur gebäudebezogene Einzelfalllösungen für die jeweiligen Bewohner realisierbar sind.
- Wohnungseigentümergemeinschaften versammeln sich regelmäßig 1 x jährlich. Die Entscheidungsfindung für diese komplexen Sachverhalte bedürfen einer umfangreichen Beratung und Vorbereitung für die Entscheidungsfindung. Durch die Befristung der Fördervarianten ist dies zeitlich schwer einzuhalten, der zusätzliche Aufwand für die WEG-Verwaltungen wird bisher leider nicht gefördert.
- Die künftig vorgeschriebenen monatlichen Verbrauchsinformationen erfordern einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand für Vermieter, ggf. auch durch analoge Informationsbereitstellung. Die Verbrauchskosten steigen durch diese gesetzlichen Informationspflichten, die Gesamtenergiebilanz für diesen Formalismus darf angezweifelt werden.
Die Immobilienwirtschaft ist vom Grundsatz her bereit und willens, einen weiteren Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Dafür benötigt die Immobilienwirtschaft – einfache – lösungsorientierte Ansätze im Gesamtzusammenhang und nicht noch mehr verwaltungsorientierte Regularien, die häufig sogar widersprüchlich sind und das Bauen und Modernisieren – somit das Wohnen – nur teurer machen.
Steckbrief
Herr Prof. Rainer Hummelsheim ist Geschäftsführer der Hummelsheim Immobilien GmbH sowie der DOMUS Hausverwaltung GmbH. Darüber hinaus ist der gelernte Diplom- und Immobilienkaufmann auch Vorstandsmitglied des IVD Mitte-Ost und Mitglied im Bundesfachausschuss Verwalter des IVD. Er ist Honorarprofessor und u. a. Prüfungsausschussmitglied für die IHK-Ausbildung zu Immobilienkaufleuten sowie Lehrbeauftragter für das Facility Management und Gebäudemanagement an der HS Mittweida, HS Anhalt und BA Leipzig.
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