Bericht der Sächsischen IHKs und HWKs

Seit 2001 führen die sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) sowie Handwerkskammern (HWKs) regelmäßig das Fachkräftemonitoring durch. Neben den Arbeits- und Fachkräftebedarfen der Unternehmen rücken in der vorliegenden 9. Erhebung die Instrumente der aktiven Personalarbeit, die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer sowie die Nutzung von Homeoffice bzw. mobiler Arbeit infolge der fortschreitenden Digitalisierung in den Mittelpunkt der Betrachtung.
Ziel ist es, durch eine repräsentative Umfrage in den Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen die aktuelle Fachkräftesituation in der sächsischen Wirtschaft zu erfassen. Daraus abgeleitete Hinweise und Empfehlungen sollen insbesondere Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit, aber auch Unternehmen für die Herausforderungen am Arbeitsmarkt sensibilisieren.
Am Fachkräftemonitoring 2022 beteiligten sich 1.161 Unternehmen mit rund 60.000 Beschäftigten, die im Durchschnitt 43,5 Jahre alt sind. Knapp 500 dieser Unternehmen bilden zusammen mehr als 2.700 Azubis aus. Der Befragungszeitraum lag im Oktober/November 2021.
Klicken Sie die jeweilige Überschrift, um den Abschnitt zu öffnen. Den vollständigen Bericht und die gemeinsame Pressemitteilung der Sächsischen Industrie- und Handelskammern und Sächsischen Handwerkskammern finden Sie auch als PDF im Downloadbereich.
I. Trotz Corona-Pandemie: Zuwachs an unbesetzten Stellen, Fachkräftebedarf steigt weiter
- Branchenübergreifender Rekordwert an nicht besetzten Stellen
- Bedarf an Facharbeitern und Gesellen unverändert hoch
- Keine Entspannung - mehr als jede zweite Stelle bleibt langfristig unbesetzt
- Zunehmende Herausforderung in kleinen und großen Unternehmen bei Stellenbesetzung
- Mehr Ersatz- und weniger Zusatzbedarfe als Grund für Personalsuche
- Ausbleibende Bewerbungen erschweren die Personalsuche massiv
- Langfristig unbesetzte Stellen führen zu Mehrbelastung und Umsatzverlusten
Insgesamt 60 % der befragten Unternehmen wiesen zum Befragungszeitpunkt offene Stellen aus. Dies entspricht 688 Unternehmen, die insgesamt 3.867 vakante Stellen melden. Bei der vorherigen Befragung vor vier Jahren lag dieser Wert mit 3.038 Stellen noch deutlich niedriger. Besonders auffällig ist der kräftige Anstieg an nicht besetzten Stellen in Relation zur Beschäftigtenzahl. Mit aktuell 64 offenen Stellen je 1.000 Beschäftigte wird
der Höchstwert aus dem Jahr 2018 (52 offene Stellen) nochmals deutlich überschritten. Am günstigsten fällt dieses Verhältnis im Branchenvergleich – wie schon 2018 – im Handel und in der Industrie aus. Dennoch muss konstatiert werden, dass die Betroffenheit in fast allen Wirtschaftsbereichen zugenommen hat.
Im Baugewerbe ist nahezu jede zehnte Stelle nicht besetzt. Bei den Dienstleistungen ist ein Anstieg von 56 auf 79 offene Stellen je 1.000 Beschäftigte zu beobachten. Lediglich im Handwerk hat sich der Wert im Vergleich zu 2018 von 132 auf 92 reduziert.
Facharbeiter und Gesellen sind nach wie vor die mit Abstand meist gesuchten Arbeitskräfte. Sie werden branchenübergreifend für 4 von 10 offenen Stellen benötigt. Besonders hoch ist der Anteil im Handwerk. Keine andere Branche fragt anteilig mehr nichtakademische Fachkräfte nach. Techniker/Meister sowie Akademiker bleiben ebenfalls sehr gefragt. Dies gilt auch für Auszubildende.
Im Handel (2018: 14 %) und im Handwerk (2018: 10 %) hat sich die Zahl an unbesetzten Lehrstellen nochmals deutlich erhöht. In der Industrie, im Bau- und im Dienstleistungsgewerbe stagnieren die Zahlen weiterhin auf hohem Niveau.
Insgesamt 2.032 Stellen – dies entspricht über der Hälfte aller nicht besetzten Arbeitsplätze – sind länger als 6 Monate vakant. Mehr als jedes dritte befragte Unternehmen ist hiervon betroffen (38 %). Die Suche nach geeigneten Technikern und Meistern gestaltet sich am schwierigsten. Rund 62 % der offenen Stellen in diesem Qualifikationsbereich bleiben langfristig unbesetzt.
Bei den Un-/Angelernten stieg dieser Anteil im Vergleich zur vorherigen Befragung am stärksten von 42 auf 57 %. Bei den Facharbeitern/ Gesellen können 55 % der ausgeschriebenen Stellen nach 6 Monaten nicht besetzt werden. Deutlich reduziert hat sich der Wert bei den Hochschulabsolventen (2018: 48 %).
Im Betriebsgrößenvergleich wird deutlich, dass Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern die größten Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung haben. Bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter bleiben dagegen nur 32 % der Stellen langfristig offen. Allerdings hat sich hier der Anteil im Vergleich zu 2018 (15 %) mehr als verdoppelt. Innerhalb der Dienstleistungen ist die Lage im Gastgewerbe besonders dramatisch (71 %). Ähnlich stark ist mit 69 % das Handwerk betroffen. Grund hierfür ist, dass bei den Befragten im Handwerk der Anteil kleiner Betriebe mit 78 % besonders groß ausfällt.
Für 9 von 10 Personal suchenden Unternehmen ist der Ersatz von (ausscheidenden) Mitarbeitern das Hauptmotiv. Neben dem Verlust des eigenen Personals an andere Arbeitgeber werden neue Mitarbeiter sehr häufig aufgrund von Altersabgängen gesucht. In den befragten Unternehmen sind aktuell mehr als 9 % der Beschäftigten älter als 60 Jahre. Branchenübergreifend ist dieser Anteil im Dienstleistungsgewerbe sowie im Handwerk am höchsten und im Handel am niedrigsten.
Für rund 11 % der Unternehmen sind coronabedingte Personalabgänge relevant. Besonders häufig ist dies im Dienstleistungsgewerbe (19 %) und darunter speziell in der Branche Gast- und Tourismusgewerbe (71 %) der Fall. Einen zusätzlichen Bedarf an Mitarbeitern geben 59 % der sich auf Personalsuche befindlichen Unternehmen an. Jedoch hat sich der Zusatzbedarf an Mitarbeitern – krisenbedingt – im Vergleich zur vorherigen Befragung um 15 Prozentpunkte auffallend reduziert.
Fehlende Bewerbungen bleiben der häufigste Grund für das Scheitern von Neueinstellungen. Nachdem hier bereits 2018 ein starker Anstieg verzeichnet wurde, hat sich der Anteil der Unternehmen, die keine Rückmeldungen auf Stellenausschreibungen erhalten, nochmals merklich erhöht. Das Handwerk (86 %) und das Baugewerbe (85 %) sind hiervon, ebenso wie alle weiteren Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern (84 %), besonders stark betroffen.
Bei der Besetzung von Ausbildungsstellen bleiben insbesondere in der Industrie (36 %) und im Handwerk (30 %) Bewerbungen in hohem Maße aus. Weiterhin begründen jeweils 44 % der Betriebe mit offenen Stellen die Nichtberücksichtigung eines Bewerbers mit mangelnder Motivation/Arbeitsbereitschaft sowie unterschiedlichen Lohn- und Gehaltsvorstellungen. Ein Viertel gibt an, Absagen ohne Begründung des Bewerbers zu erhalten.
Kann ein Unternehmen offene Stellen langfristig nicht besetzen, führt dies nach wie vor zu einer Mehrbelastung des vorhandenen Personals. Zudem müssen 58 % der Betriebe als Konsequenz neue Aufträge oder Projekte ablehnen. Dies betrifft insbesondere das Baugewerbe und das Handwerk.
Immer mehr Unternehmen reagieren inzwischen auch mit der Einschränkung des eigenen Leistungsangebots. Im Branchenvergleich ist die Industrie hiervon noch am wenigsten betroffen (21 %). Bei 35 % der befragten Unternehmen ist erhöhter Krankenstand eine Folge der Mehrbelastung.
II. Betriebliche Personalarbeit als wichtige Grundlage der Fachkräftesicherung
- Aktive Personalarbeit in fast allen Unternehmen
- Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung breit gefächert und nahezu alternativlos
- Praktika und soziale Netzwerke für erfolgreiche Rekrutierung immer wichtiger
Die Bedeutung betrieblicher Personalarbeit hat in den vergangenen vier Jahren noch einmal zugenommen. So geben 93 % der Unternehmen an, aktive Personalarbeit zu betreiben (2018: 90 %). In Betrieben mit 10 und mehr Mitarbeitern gibt es hiervon nahezu keine Ausnahme mehr. Je kleiner der Betrieb ist, desto häufiger werden Beschäftigte in strategische Entscheidungen einbezogen. In Unternehmen mit 10 bis 49 Mitarbeitern ist das Mitarbeiterjahresgespräch das meistgenannte Instrument der aktiven Personalarbeit. Bei größeren Unternehmen trifft dies auf interne Stellenbeschreibungen zu.
Die Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung von Beschäftigen sind sehr vielfältig. Fast alle Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern heute direkte Leistungen an (2018: 95 %). Gemeinsame Freizeitaktivitäten, regelmäßige Lohn- und Gehaltserhöhungen sowie Prämien gehören zu den am häufigsten angebotenen direkten Leistungen. Rund 72 % der Unternehmen offerieren ihren Mitarbeitern darüber hinaus Leistungen, die das Ziel verfolgen,
die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zu verbessern. Flexible Arbeitszeitlösungen sind am populärsten und werden von mehr als jedem zweiten Unternehmen angeboten.
Der Erfolg verschiedener Personalbeschaffungsmaßnahmen hängt davon ab, welche Bewerbergruppe für die Unternehmen von Interesse ist. Über alle Bewerbergruppen hinweg ist eine Zunahme von Empfehlungen, Abwerbungen sowie sozialer Netzwerke zu beobachten. Azubis werden außerdem besonders häufig durch Praktika gewonnen (63 %). Auch die klassischen Instrumente der Berufsorientierung gestalten sich hier erfolgsversprechend. Zur Rekrutierung von qualifizierten Fachkräften sind jeweils die eigene Internetseite, Online-Stellenportale und Empfehlungen/Referenzen die erfolgreichsten Wege.
III. Anzahl ausländischer Mitarbeiter steigt trotz bestehender Hürden
Mitarbeiter aus dem Ausland werden für die sächsische Wirtschaft immer wichtiger. Mehr als jedes dritte Unternehmen beschäftigt inzwischen ausländisches Personal (35 %). Im Vergleich zur Befragung aus dem Jahr 2018 (25 %) ist dies nochmals ein deutlicher Anstieg. Erwartungsgemäß ist der Anteil bei den größeren Unternehmen hier am höchsten. Unter den 2.300 ausländischen Beschäftigten der befragten Betriebe kamen 72 % aus der EU (2018: 85 %) und 28 % aus Drittstaaten (2018: 15 %).
- Facharbeiter besonders gefragt, Fachkräfteeinwanderungsgesetz bisher wenig genutzt
- Sprachbarrieren, Bürokratie und finanzielle Aufwendungen größte Hürden
Drei von zehn befragten Unternehmen planen in den kommenden 12 Monaten erstmals oder weitere ausländische Beschäftigte einzustellen, wobei das Herkunftsland für die Mehrheit der Betriebe keine Rolle spielt. Die meisten Unternehmen (68 %) suchen Facharbeiter. Für ungelerntes ausländisches Personal interessiert sich die Hälfte der Betriebe. Azubis sind besonders im Handel (45 %) und im Handwerk (51 %) gefragt. Um die Zuwanderung von Fachkräften und Auszubildenden aus Nicht-EU-Staaten (sog. Drittstaaten) zu vereinfachen, gilt seit dem 01.03.2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG). In der aktuellen Erhebung geben 32 % der Unternehmen an, dass ihnen das FEG bekannt sei. Nur 2 % der Unternehmen haben von den rechtlichen Möglichkeiten des FEG bisher Gebrauch gemacht, während 12 % an mehr Informationen interessiert sind.
Trotz einer leichten Verringerung bleiben Sprachbarrieren für 77 % der Befragten nach wie vor das größte Hindernis bei der Einstellung ausländischer Fachkräfte. Bürokratische Hürden und Unsicherheiten über das Qualifikationsniveau haben dagegen noch einmal leicht zugenommen. Zudem dauern jedem dritten Unternehmen die Genehmigungs- und Anerkennungsprozesse zu lang. Abseits der dargestellten Antworten sind die zusätzlichen Kosten (z. B. Berufsanerkennung oder Sprachkurse), die es für die Einstellung eines ausländischen Mitarbeiters benötigt, für viele Unternehmen eine entscheidende Hürde. Insgesamt 42 % der Unternehmen
halten finanzielle Aufwendungen für nicht vertretbar. Bei den Betrieben mit weniger als 20 Mitarbeitern ist dieser Anteil mit 55 % am höchsten.
IV. Mehr Unternehmen beschäftigen Menschen mit Schwerbehinderung
Rund 41% der Unternehmen beschäftigen Menschen mit Schwerbehinderung (2018: 39%). Auch aufgrund branchenspezifischer Voraussetzungen ist der Anteil der Unternehmen mit schwerbehinderten Menschen in der Industrie am höchsten (62%) und im Handwerk am niedrigsten (23%). In Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern liegt der Anteil bei 84% (2018: 76%) und in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern bei 98% (2018: 90%).
- Anforderungen an Arbeitsplätze und zu wenig Bewerber als Einstellungshürden
Die spezifischen und teils hohen Anforderungen an die Arbeitsplatzgestaltung stellen die größte Hürde bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten dar. Rechtliche Regelungen werden wiederum inzwischen von deutlich weniger befragten Unternehmen als Hindernis wahrgenommen (2018: 45%).
Mehr als jedes fünfte Unternehmen gibt an, keine oder nicht ausreichend viele Bewerbungen zu erhalten. Dies könnte auch erklären, dass nur 3% der Firmen die Einstellung schwerbehinderter Personen plant, da Arbeitsplätze im Regelfall nach Qualifikation und nicht nach dem Gesundheitsstatus besetzt werden.
V. Digitalisierung erfordert höhere Qualifikationen
- Erwartungen an die Digitalisierung mehrheitlich positiv
- Höheres Qualifikationsniveau aufgrund fortschreitender Digitalisierung benötigt
- Mehrheit der Unternehmen bietet Homeoffice oder mobile Arbeit an
Mehr als jedes zweite Unternehmen bewertet die Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt als positiv. Je größer ein Unternehmen ist, desto besser fällt dabei die Einschätzung aus. Im Branchenvergleich bestehen die größten Unterschiede zwischen dem Dienstleistungsgewerbe (64% positiv) und dem Handwerk (45% positiv).
Infolge der Digitalisierung erwarten mehr Unternehmen steigende (10%) als abnehmende (5%) Beschäftigtenzahlen. Der Anteil der Befragten, die mit einem gleichbleibenden Bedarf rechnen, hat sich im Vergleich zur Erhebung vor vier Jahren um 5 Prozentpunkte erhöht. Die erwartete Nachfrage fällt für die Qualifikationsbereiche Facharbeiter (13%), Techniker/Meister (13%) und Akademiker (16%) am höchsten aus. Im Branchenvergleich gehen die meisten Unternehmen im Dienstleistungsgewerbe (13%) von einem Personalzuwachs aufgrund digitaler Entwicklungen aus. Im Baugewerbe rechnet kein Unternehmen mit einem Anstieg, jedoch ist die Unsicherheit hierüber in dieser Branche auch am größten (34% „weiß nicht“).
Bei einem Großteil der Unternehmen (86%), die allen oder einem Teil ihrer Mitarbeiter kein Homeoffice anbieten, lassen betriebliche Tätigkeiten dies nicht zu. Jedes dritte Unternehmen begründet die Entscheidung mit fehlender Kommunikation zu und zwischen den Beschäftigten. Dieser Faktor trägt mutmaßlich dazu bei, dass nur in 2% der Unternehmen die gesamte Arbeitszeit außerhalb der Firma verbracht wird. Aspekte des Datenschutzes, der Datensicherheit und rechtliche Probleme verhindern in jedem vierten Unternehmen die Anwendung von Homeoffice bzw. mobiler Arbeit.
Schlussfolgerungen aus dem Fachkräftemonitoring 2022
Auf demografischen Wandel reagieren
Die Belegschaften werden älter und Abgänge können aufgrund des Nachwuchsmangels nicht mehr kompensiert werden. Folglich sollten Mitarbeiter so lange wie möglich gesund und aktiv am Erwerbsleben teilnehmen. Dafür werden Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements und des Wissenstransfers in der Belegschaft zunehmend wichtiger. Da gerade kleine Unternehmen häufig keine Bewerbungen auf ihre ausgeschriebenen Stellen erhalten, bedarf deren Professionalisierung der Personalarbeit einer besonderen Unterstützung. Angesichts der zunehmenden Stellenbesetzungsprobleme ist eine verstärkte Automatisierung und Rationalisierung unerlässlich. Deshalb sollten sich betriebliche Förderungen nicht vordergründig am Arbeitsplatzerhalt oder -aufbau orientieren.
Berufsausbildung stärker in das öffentliche Interesse rücken
Die Ausbildung junger Menschen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass den Unternehmen qualifizierte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Dass sich die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im vergangenen Jahr trotz Krise stabilisiert hat, spiegelt dies sehr deutlich wider. Dennoch bleiben nach wie vor viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Der Stellenwert der dualen Berufsausbildung, als attraktive Alternative zur akademischen Laufbahn, muss von Bundes- und Landespolitik gemeinsam mit der Wirtschaft zielgerichtet und öffentlichkeitswirksam
hervorgehoben werden. Der „Pakt für duale Ausbildung“ bietet hierzu eine wichtige Grundlage. Weiterhin bedarf es einer auskömmlich geförderten, systematischen und praxisnahen Berufsorientierung in den Schulen, die bereits frühzeitig Praktika umfasst (z.B. Werkstatttage). Kein anderes Rekrutierungsinstrument ist erfolgreicher. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung setzen wir uns für eine Verbesserung der Lernbedingungen von Azubis und einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Ausbildungsordnungen ein. Wir brauchen neben einer verbesserten digitalen Ausstattung in Schulen (insb. in Berufsschulen) neue Bildungsformate, die Präsenz- und digitales Lernen miteinander verbinden. Wir plädieren außerdem für eine Stärkung des Unterrichtsfaches „Wirtschaft“ an allgemeinbildenden Schulen.
Transformation der Arbeitswelt unterstützen, Anreize für „lebenslanges Lernen“ erhöhen
Betriebliche Qualifizierungen sind ein zentraler Schlüssel, um Fachkräfte zu motivieren und im Betrieb zu halten. Zudem schreiten technische Entwicklungen immer schneller voran, sodass sich Berufsbilder innerhalb eines Erwerbslebens rasant verändern. Neben Fach- und Methodenkompetenz sind für die Transformation der Arbeitswelt übergreifende Fähigkeiten - wie Veränderungsbereitschaft, Flexibilität und Kreativität - gefragt.
Mehr als die Hälfte der Befragten, insbesondere größere Unternehmen, nutzt gezielte betriebliche Weiterbildungen. Aufgabe der Politik ist es, auch kleinere Betriebe ohne Personalabteilung stärker bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen. Hier setzen wir auf intelligente Förderanreize (z.B. Erhöhung des bestehenden Meisterbonus sowie dessen Ausweitung auf Fachwirte) und den Ausbau bereits vorhandener Instrumente (bspw. Weiterbildungsschecks). Einen pauschalen Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub im Zuge einer Novellierung des Weiterbildungsgesetzes lehnen wir ab. Bei der Erarbeitung der sächsischen Weiterbildungsstrategie setzen wir uns zudem für eine stärkere Berücksichtigung der beruflichen Weiterbildung ein.
Zuwanderung erleichtern und bekannter machen.
Immer mehr sächsische Unternehmen beschäftigen ausländisches Personal. Im Zuge der demografischen Entwicklung werden die Betriebe künftig noch stärker auf qualifizierte Zuwanderungen angewiesen sein. Bisher sind die Möglichkeiten des im Jahr 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes allerdings noch zu wenigen Unternehmen bekannt. Gerade kleinere Unternehmen müssen auf die Chancen des Gesetzes aufmerksam gemacht werden. Besonders KMU stellt es vor Herausforderungen, geeignete Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren. Passgenaue Beratungs- und Unterstützungsangebote, ggf. flankiert mit Zuschüssen, sind daher wichtig. Zudem muss die Verfahrensdauer im Zuwanderungsprozess insgesamt verkürzt werden. Hierfür gilt es, die Bearbeitungszeiten von Visa- und Aufenthaltstiteln zu beschleunigen. Im Anerkennungsprozess erachten wir die stärkere Berücksichtigung von non-formalen Qualifikationen als zielführend. Liegt eine teilweise Anerkennung der Berufsqualifikation vor, ist die finanzielle Förderung der
Anpassungsqualifizierungen zentral. Im Bereich der Berufsausbildung sollte auf eine Vorrangprüfung verzichtet werden, um offene Ausbildungsplätze unkomplizierter besetzen zu können. Um Sachsen als attraktives Zuwanderungsland zu positionieren, bedarf es im Ausland eines zielgerichteten Standortmarketings unter Einbeziehung von Partnern vor Ort, verbunden mit Informations- und Sprachangeboten für Interessierte.
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördern
Familienfreundliche Maßnahmen gewinnen bei sächsischen Unternehmen als Mittel zur Fachkräftesicherung an Bedeutung. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und damit der Arbeitsorganisation nimmt durch technischen Fortschritt zu. Formen der mobilen Arbeit sollten im Interesse von Betrieb und Beschäftigten dort eingesetzt werden, wo es möglich und sinnvoll ist. Die konkrete Ausgestaltung ist auf Basis individueller Vereinbarungen zu regeln. Der Erhalt von betrieblichen Flexibilisierungsinstrumenten (z.B. Zeitarbeit oder Befristungen) muss indes auch für Arbeitgeber sichergestellt werden. Familienfreundliche Personalpolitik muss zudem, ausgerichtet an den Grundsätzen der Freiwilligkeit und Passfähigkeit der Unternehmen, durch staatliche Förderangebot flankiert werden. Der steuerfreie Kinderbetreuungszuschuss des Arbeitgebers (§ 3 Nr. 33 EStG) sollte ausgeweitet und künftig auch für schulpflichtige Kinder anwendbar sein.
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Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammer im Freistaat Sachsen,
Arbeitsgemeinschaft der Sächsischen Handwerkskammern
Redaktionsschluss Januar 2022 I Auszugsweise Verwendung nur mit Quellenangabe
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