EU-Binnenmarkt – Wachstumschancen vor der Haustür Die Welt ist unsicherer denn je, das gilt vor allem für die Welt des Handels. Neben strukturellen Umbrüchen, wie dem steigenden Gewicht des Dienstleistungshandels und zunehmender geopolitischer Blockbildung, prägen vor allem die aktuellen Handelskonflikte das Bild. Die verschärfte wirtschaftliche Unsicherheit spiegelt sich im US Trade Uncertainty Index wider, der seit Anfang des Jahres um 361 Prozent in die Höhe geschnellt ist. Dieser Index misst die wirtschaftliche Unsicherheit, die aus Handelskriegen, Zöllen und geopolitischen Spannungen resultiert. Abbildung 1: Trade Policy Uncertainty Index Quelle: Economic Policy Uncertainty available under https://www.policyuncertainty.com/trade_uncertainty.html In diesem neuen Umfeld kann der europäische Binnenmarkt eine stabilisierende Rolle spielen. So stellt die EU heute eine der größten Wirtschaftsregionen der Welt dar; sie umfasst mehr als 450 Millionen Menschen, produziert 14 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts und hat seit der Schaffung des Binnenmarktes entscheidend zur Verdopplung des Waren- und Dienstleistungsverkehrs innerhalb der europäischen Gemeinschaft beigetragen.¹ Allerdings wird oft übersehen, dass der Binnenmarkt auch nach 30 Jahren immer noch kein wirklich homogener Markt ist. Laut einer Analyse des Internationalen Währungsfonds existieren immer noch viele nicht-tarifäre Handelshemmnisse, also solche, die nicht in Zöllen begründet sind. Diese Handelshemmnisse, wie z. B. abweichende regulatorische Anforderungen, unterschiedliche Rechtspraktiken oder nicht abgestimmte Verbraucherschutzvorschriften, erhöhen die Handelskosten für die Industrie im Durchschnitt um bis zu 44 Prozent. Für Dienstleistungen sind sie noch einmal deutlich höher und liegen durchschnittlich bei 110 Prozent.² Um das volle Potenzial des Binnenmarktes zu heben, müssen diese Handelsbarrieren abgebaut werden. Dies kann erhebliches Wachstum im innereuropäischen Handel anregen, damit sich Produktivität und Wirtschaftswachstum beschleunigen und die europäische Autonomie inmitten großer internationaler Unsicherheiten erhöhen. Um ein besseres Verständnis zu erreichen, wie hoch die Potenziale des innereuropäischen Handels sind, hat die aktuelle Deloitte-Handelssimulation diese Potenziale quantifiziert.³ Der Fokus liegt auf der deutschen und europäischen Industrie, dem Zeitraum bis 2035 und drei Szenarien. Im ersten Szenario werden die gegenwärtigen Trends im globalen Handel fortgeschrieben. Im zweiten wird angenommen, dass die nicht-tarifären Handelshemmnisse in Europa um die Hälfte abgebaut werden. Im dritten werden sie vollständig abgebaut, so dass Europa ein homogener Markt wäre. Auf dieser Grundlage werden die jeweiligen Effekte auf das Wachstum der innereuropäischen sowie der deutschen Exporte in den Binnenmarkt abgeschätzt. 3 Außenwirtschaftsnachrichten 4 | August/September 2025 Weltweit erfolgreich
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