Wie stellt sich die Lage speziell in Sachsen dar? Dr. Ziener: Sachsen hat keine Sonderrolle – die Bürokratieprobleme sind bundesweit ähnlich. Aber es gibt regionale Unterschiede, wie es unsere jüngste Standortzufriedenheitsstudie verdeutlicht. Manche Kommunen arbeiten zügig, andere sind extrem schwerfällig. Gerade kleinere Unternehmen berichten von endlosen Bearbeitungszeiten; sie leiden unter den hohen Auflagen. Oft entscheidet die Haltung vor Ort: Gibt es Führung, die pragmatisch denkt? Dass es funktionieren kann, zeigt sich immer dann, wenn Großinvestoren an die Tür klopfen, siehe aktuell Dresden, wo die Chipfabrik TSMC vergleichsweise schnell errichtet werden kann. Das macht deutlich, dass Schnelligkeit und Vereinfachung grundsätzlich möglich sind – aber nur, wenn Verwaltung und Politik es wirklich wollen. Was erleben Unternehmen auf der kommunalen Ebene besonders stark? Dr. Ziener: Während es bei großen Investoren oft zügig und reibungslos läuft, dauert es für den einfachen Mittelständler oft länger – dabei machen kleine und mittlere Unternehmen über 90 Prozent unserer Wirtschaft aus. Auf Anstoß der IHK zu Leipzig wurde 2016 vom Stadtrat die Initiative „Mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung“ beschlossen, um Prozesse zu digitalisieren, Mitarbeitende zu qualifizieren und pragmatische Entscheidungen zu ermöglichen. Leider wurde das Programm im Rathaus nicht durchweg umgesetzt und konsequent weitergeführt. Aus unserer Sicht ist es daher höchste Zeit, das Projekt wieder aufzugreifen. Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Deutschlandplans: Wie bewerten Sie die jüngsten Vorstöße von Bund und Land beim Bürokratieabbau – und was fordern Sie jetzt von der Politik? Dr. Ziener: Es ist zu begrüßen, dass sowohl der Bund als auch Sachsen das Thema Bürokratieabbau anpacken. Aber ehrlich gesagt: Gremien, die sich damit befasst haben, gab es schon viele; zu oft blieb es jedoch bei Ankündigungen – und Vorschläge wurden eben nicht umgesetzt. Entscheidend ist, dass messbare Ergebnisse jetzt schnell kommen. Gold-Plating bei EU-Vorgaben soll künftig unterbleiben – das ist gut, aber auch nur das Minimum. Wir brauchen vor allem weniger neue Gesetze und die Entrümpelung überflüssiger Regelungen. Sachsen geht mit der Überprüfung von Schriftformerfordernissen und Praxistauglichkeitschecks einen Schritt in die richtige Richtung. Nur darf das nicht in neuem Aufwand enden. Statt weitere Behörden aufzubauen, müssen Verfahren gebündelt, digitalisiert und beschleunigt werden. OneStop-Shops für Genehmigungen wären ein echter Fortschritt. Hinzu kommt: In den nächsten Jahren geht ein Drittel der Beamten und Verwaltungsbediensteten in den Ruhestand – das eröffnet die Chance, Verwaltung gezielt zu verschlanken und Prozesse mit Digitalisierung und KI neu aufzustellen. Unser Fazit: Weniger Komplexität, mehr Pragmatismus. Nur so schaffen wir die Freiräume, die Unternehmen für Investitionen, Innovation und sichere Arbeitsplätze brauchen. Dafür bleibt die IHK zu Leipzig mit dem Deutschlandplan hartnäckig am Ball. Mehr konkrete Lösungsansätze der IHK zu Leipzig finden sich im Grundsatzpapier Unser Plan für Deutschland – Was bis 2030 angepackt werden muss: www.wirtschaftnachvorn.de Seite 5 „Mehr Mut, mehr Ermessensspielraum, mehr Pragmatismus – das ist der Weg.“ BÜROKRATIE Diese finanzielle Last trägt der Mittelstand jährlich allein für seinen Bürokratieaufwand – also etwa 3,9 % seiner Personalausgaben.* … mit dem höchsten Erfüllungsaufwand im Mittelstand*: Steuerangelegenheiten, Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten, Rechnungswesen, Statistische Auskunfts- und Meldepflichten, Anforderungen der Sozialversicherungsträger. Diese Summe geht Deutschland jährlich durch überbordende Bürokratie verloren.** In den vergangenen 15 Jahren ist das Gesetzesvolumen in Deutschland um etwa 60 % angewachsen: von rund 24.775 Seiten im Jahr 2010 auf 39.536 Seiten Anfang 2025.*** Beim internationalen Ranking in der Kategorie „Starting a Business“, die den Aufwand für Unternehmen bei Neugründungen misst, liegt Deutschland abgeschlagen im hinteren Drittel.**** … der Arbeitszeitmenge entfielen 2024 im Mittelstand auf bürokratische Prozesse.* O⁄ 7 % DER ARBEITSZEIT DER BESCHÄFTIGTEN ≈ 61 Mrd. € PERSONALKOSTEN 5 BEREICHE BIS ZU 146 Mrd. € VERLUST AN WIRTSCHAFTSLEISTUNG + 14.761 DIN-A4-NORMSEITEN GESETZESVOLUMEN „STARTING A BUSINESS“: Platz 125 VON 190 LÄNDERN Quellen * KfW-Mittelstandspanel 2025. ** ifo-Studie: Entgangene Wirtschaftsleistung durch hohen Bürokratieaufwand, 2024. *** Bürokratie-Index (ESMT Berlin/Buzer.de), 2025. **** Economy-Profile der World Bank – Doing Business 2020. Deutsche Bürokratie in Zahlen
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