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NEWS, TRENDS, IMPULSE für Mitgliedsunternehmen der IHK und Entscheidungsträger Frühjahr 2025 ÜBERGÄNGE GESTALTEN Fachkräfte und berufliche Bildung: Was die IHK für die Wirtschaft unternimmt 

4 14 Titelthema: Fachkräfte Von bildungspolitischen Impulsen über eine Zeugnisausgabe in Ägypten bis zu einem frischgebackenen Industriemeister 6 24 Neustart nach Studienabbruch „Alle starten ins Berufsleben, nur ich fange von vorne an.“ Mit klarer Stimme in der Politik: Wie die Sächsischen IHKs ihren Einfluss geltend machen „Wir sehen viel Verzweiflung“ Corona-Hilfen: IHK fordert faire Lösung 2 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Inhalt

Ihr Kristian Kirpal Präsident der IHK zu Leipzig 28 „Unser Plan für Deutschland“: Wirtschaftsthemen im öffentlichen Raum sichtbar gemacht Liebe Leserin, lieber Leser, eine IHK arbeitet eher im Hintergrund – und wirkt doch tief hinein in Wirtschaft und Gesellschaft. Da bekommt eine Jugendliche eine zweite berufliche Chance, da bleibt ein Azubi im Betrieb, da treffen Unternehmen auf Messen mit Menschen zusammen, die für sie arbeiten wollen, und jemand kommt aus dem Ausland als Fachkraft in einem Team in Sachsen an: Oft knüpft in solchen Fällen die IHK im Stillen die Verbindungen. Wir machen uns stark für die duale Berufsausbildung. Sie ist unser Goldstandard. Jährlich kommen in unserem Kammerbezirk rund 3.500 Ausbildungsverträge zustande – und die verwalten wir nicht nur, sondern wir vermitteln immer dann, wenn nicht alles glatt läuft. Für 11.000 Prüfungen, die wir jedes Jahr abnehmen, können wir dankenswerterweise auf 1.800 ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer zurückgreifen. Wir vermitteln Studienabbrecher in Berufsausbildungen, bauen Brücken ins Ausland, überprüfen die Ausbildungsqualität in den Firmen, organisieren Karrieremessen und auch mit uns kann man Meister werden. Als bewährtes Rückgrat unseres Mittelstandes steht der beruflichen Bildung ein höherer Stellenwert zu, als das im gesellschaftlichen Bewusstsein und an den Abendbrottischen gemeinhin der Fall ist – gerade im Vergleich zu akademischen Bildungswegen. Dafür setzen wir uns ein – und wir machen Druck auf politischem Parkett, sei es in Dresden oder Berlin. Das gilt für sämtliche wirtschaftspolitische Themen, die unsere Unternehmen umtreiben. In der Kampagne zu unserem Deutschlandplan machen wir das öffentlich sichtbar – wortwörtlich, mit einer Reihe von Botschaften, die der Wirtschaft Stimme und Gesicht verleihen. All das und mehr zeigen wir – „Tue Gutes und rede darüber“ – in diesem Heft. Und damit wünsche ich Ihnen eine erhellende Lektüre. Inhalt Auf politischem Parkett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Titelthema: Fachkräfte Impulse zur Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 6 PrüfenimEhrenamt ......................8 Meisterhaft in die Industrie . . . . . . . . . . . . . . . 10 Berufsorientierungsmesse . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Beraten,wo’shakt.......................12 Passgenaue Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 „Innehalten, Abschluss machen“ . . . . . . . . . . . . 16 Pro Lehre am Gymnasium . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Mosaik: Fachkräftemonitoring . . . . . . . . . . . . . 18 Ausbildung in Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Delegation in Vietnam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 International rekrutieren . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Coronahilfen: Späte Sorgen . . . . . . . . . . . . . . . 24 Turnfest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26 Sachsentag in Südfrankreich . . . . . . . . . . . . . . 27 Kampagne zum Deutschlandplan . . . . . . . . . . 28 Veranstaltungen.........................30 3 Editorial IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

Mit klarer Stimme in der Politik Noch nie so nah dran wie jetzt: Wie die IHK zu Leipzig auf Landes- und Bundesebene politisch Einfluss nimmt Hürden, eine verlässliche und wettbewerbsfähige Energieversorgung, eine moderne Verwaltung mit digitalen Prozessen, Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Zukunftstechnologien. Auf dem politischen Parkett verschaffen die drei sächsischen IHKs der Stimme der Wirtschaft Gehör: Sie laden Abgeordnete von Bundes- und Landtag zu Foren ein – wie zuletzt zum Wahlforum anlässlich der Bundestagswahl am 6. Februar in Mittweida, wobei sich sächsische Kandidaten der Parteien mit Unternehmensvertretern austauschten. Was den jetzt vorliegenden Koalitionsvertrag auf Bundesebene betrifft, sehen die Sächsischen IHKs positive Ansätze, vermissen aber strukturelle Reformen. Sie begrüßen zum Beispiel die Flexibilisierung der Arbeitszeit hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit, ebenso wie die Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes, was allerdings nicht durch die Umsetzung von EU-Regelungen ausgehebelt werden dürfe. Für eine echte Wirtschaftswende fehle dem Vertragsentwurf jedoch der Schwung: „Unternehmenssteuern erst in drei Jahren senken? Viel zu spät. Die Wirtschaft braucht Entlastung jetzt. Ein Mindestlohn von 15 Euro ab 2026? Zu hoch. Das überfordert den Mittelstand“, so der Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig, Dr. Fabian Magerl. Während des Treffens der Regierungschefs der fünf ostdeutschen Bundesländer sowie Berlins zur Regionalkon Ob Koalitionsverhandlungen, Ministergespräche, Gesetzesinitiativen oder die Regionalkonferenz Ost: Die IHK zu Leipzig ist – gemeinsam mit den Partnerkammern in Chemnitz und Dresden – präsent und nimmt die Politik in die Pflicht. „Wir lassen nicht locker und setzen uns auf allen Ebenen für die Unternehmen ein“, betont Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig. „Unsere inhaltliche Beteiligung war noch nie so umfangreich wie jetzt. Die Wirtschaft in Sachsen braucht verlässliche Rahmenbedingungen – und wir sorgen dafür, dass das in der Politik gehört wird.“ Er verweist auf das Grundsatzpapier „Unser Plan für Deutschland“, mit dem die IHK zu Leipzig staatspolitische Reformen einfordert – und zwar über Sachsen hinaus auf Bundesebene. Dazu zählen der Abbau bürokratischer Austausch mit der Bundespolitik: Die sächsischen IHKs hatten nach Mittweida geladen Im Austausch mit Politik und Medien: Die IHK vertritt die Interessen der Unternehmerschaft, wie hier zur Pressekonferenz in Mittweida 4 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Wirtschaftspolitik

ferenz am 3. April in Berlin forderten die ostdeutschen IHKs in einem Spitzengespräch eine aktive Rolle bei der Gestaltung der wirtschaftlichen Zukunft des Ostens: „Wir erwarten gezielte Investitionen in Ostdeutschland. Es geht nicht um Sonderförderung, sondern um eine faire Berücksichtigung bei nationalen Investitions- und Entwicklungsprogrammen“, so Kristian Kirpal. Zu den IHK-Forderungen bei der Regionalkonferenz zählen: ■ klare finanzielle Ausstattung aus den nationalen Investitionspaketen mit starkem Fokus auf die ostdeutschen Bundesländer, ■ schnelle, unbürokratische Planungs- und Vergabeverfahren in wirtschaftsnahe Infrastruktur, ■ tiefgreifende Strukturreformen mit konsequentem Bürokratieabbau, ■ eine stärkere Einbindung ostdeutscher Vertreter in zentrale wirtschaftspolitische Entscheidungsprozesse und im zukünftigen Bundeskabinett. Die Stellschrauben für Sachsen sieht IHK-Präsident Kristian Kirpal in einer Zukunftsstiftung, die Wirtschaft und Gesellschaft neue Impulse verleiht, in der Verankerung von öffentlichen Investitionen als Haushaltsaufgabe und in der Absage an den Bildungsurlaub als Pflichtleistung der Unternehmen: 1. Stiftung für Investitionen und Innovationen: Neue Wege für die wirtschaftliche Zukunft Vorgeschlagen wird ein Stiftungsmodell, das Vermögen für Investitionen nutzbar macht. Besonders Infrastruktur, Digitalisierung und Innovation sollen damit gestärkt werden. „Wir brauchen eine kluge Finanzierungsperspektive für Zukunftsinvestitionen“, so Kirpal. 2. Investitionen im Sächsischen Doppelhaushalt: Keine Kürzungen auf Kosten der Wirtschaft Besonders alarmierend sei der Rückgang der Investitionsquote von 16,8 Prozent im Jahr 2024 auf lediglich 12,6 Prozent im Jahr 2025. Diese drastischen Kürzungen gefährdeten die nachhaltige Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Sachsen. Das „Wir erwarten gezielte Investitionen in Ostdeutschland.“ Kristian Kirpal führe unweigerlich zu einem weiteren Verfall der in Teilen ohnehin maroden und nicht bedarfsgerechten Infrastruktur im Freistaat. 3. Bildungsurlaub: Bürokratie statt Nutzen? Die Sächsischen IHKs lehnen einen gesetzlichen Bildungsurlaub entschieden ab. „Die Bedeutung von Weiterbildung ist unbestritten. Doch ein verpflichtender Bildungsurlaub ohne klaren betrieblichen Bezug ist nicht zielführend“, so Kirpal. Die Erfahrung aus anderen Bundesländern zeige: Nur zwei bis drei Prozent der Berechtigten nutzen die Möglichkeit überhaupt. Zudem halten die sächsischen IHKs weiterhin an einem schlanken und unbürokratischen Vergabegesetz fest, wie bereits in der abgelaufenen Wahlperiode. Ministerpräsident Kretschmer (CDU) griff den Faden im Januar beim Neujahrsempfang der Leipziger Wirtschaftsregion auf und versprach unter anderem „konsequenten Bürokratieabbau“, um die Wirtschaft zu entlasten. Umgekehrt erklärten sich die Kammern bereit, zumal angesichts der Minderheitsregierung, konstruktiv mit der Politik zusammenzuarbeiten. – André Gründer/jad Diskussion zur Wirtschaftspolitik: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (3.v.l.) beim Neujahrsempfang mit den Spitzen der Leipziger Wirtschaftskammern und -verbände – Dr. Ines Zekert für den Marketing Club, Matthias Forßbohm für die Handwerkskammer, Kristian Kirpal für die IHK und Dietrich Enk für den Unternehmerverband (v.l.n.r.). Es moderierte Wiebke Binder (r.). Bundespolitiker im Austausch mit Wirtschaftsvertretern beim Wahlforum in Mittweida: Konjunkturdaten und Forderungen zur Bundestagswahl vorgestellt 5 Wirtschaftspolitik IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

„Fachkräfteengpass mit Bildung begegnen“ Warum muss das Bildungssystem reformiert werden? John: Die Anforderungen an Bildung steigen stetig. Wir erleben eine rasante technologische Entwicklung und einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt. Bildungspolitik muss darauf reagieren. Statt kleinteiliger Anpassungen braucht es eine klare Strategie mit bundesweit einheitlichen und hohen Standards. Der Föderalismus prägt das deutsche Bildungssystem. Ist er ein Problem? John: Der Föderalismus hat Vorteile, etwa die Nähe zu regionalen Bedürfnissen. Dass jedoch die Länder eigene Wege gehen, führt auch zu Ungleichheiten. Wir plädieren für mehr Koordination, etwa durch bundesweit verbindliche Standards, wie sie in der Berufsbildung längst etabliert sind. Eine „Bildungsagenda Deutschland 2035“ könnte hier ein wichtiges Steuerungsinstrument sein. Welche Rolle spielt die Digitalisierung? John: Sie ist der Megatrend schlechthin und will so genutzt werden, dass wir alle davon profitieren. Digitale Plattformen können Bildung zugänglicher machen, Lehrkräfte entlasten und individualisiertes Lernen fördern. Länder wie Estland zeigen, wie das gelingt. In Deutschland ist eine nationale Bildungsplattform nötig, die Lern „Wir sind für bundeseinheitliche Standards in der Schulbildung – wie wir sie in der Berufsbildung haben.“ Die IHK zu Leipzig formuliert in ihrem Deutschlandplan, was ein exzellentes Bildungssystem ausmacht – und wie wir dahin kommen. Ein Interview mit Moritz John, der bei der IHK zu Leipzig für Bildungspolitik zuständig ist, dazu, warum der Föderalismus reformiert werden sollte, wie sich Digitalisierung sinnvoll nutzen lässt und weshalb die berufliche Bildung gestärkt werden muss. Moritz John ist bei der IHK zu Leipzig für die Bildungspolitik zuständig 6 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

materialien bündelt und moderne Technologien integriert. Entscheidend ist, dass sie praxistauglich ist und nicht im bürokratischen Klein-Klein versandet. Wie lässt sich mehr Bildungsgerechtigkeit erreichen? John: Frühkindliche Bildung ist der Schlüssel. Kinder, die zu Hause nicht gefördert werden, müssen durch gute Kitas Chancen bekommen. Wir brauchen mehr und besser qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher, und wir brauchen Sprachförderung. Die Mittel dafür müssen auf allen politischen Ebenen bereitgestellt werden. Bildungswege gleichwertig sind. Wer eine duale Ausbildung macht, verdient nicht nur rund zehn Jahre früher Geld, sondern hat viele Aufstiegsmöglichkeiten. Kaum bekannt ist, dass ein Fachwirt offiziell dem BachelorAbschluss gleichgestellt ist – oder ein Betriebswirt dem Master. Dieses Wissen muss stärker vermittelt werden, zum Beispiel über Berufsorientierung an Schulen und in verpflichtenden Praktika, damit wir mehr junge Menschen für duale Ausbildungsberufe gewinnen. Welche Reformen braucht die berufliche Bildung? John: Sie ist ein Erfolgsmodell. Aber sie darf nicht stehenbleiben, sondern muss modernisiert werden. Berufsbilder und Ausbildungsordnungen müssen mit wirtschaftlichen Veränderungen Schritt halten. Beispielsweise gehören digitale Kompetenzen in alle Berufe. Warum ist die „Hebung des inländischen Potenzials“ so wichtig? John: Weil die Fachkräftelücke wächst. Wir dürfen nicht allein auf Zuwanderung setzen. Wir müssen die Potenziale aller Menschen nutzen – von Schulabgängern bis hin zu Menschen, die sich beruflich neu orientieren oder weiterbilden wollen. Dafür muss die Höhere Berufsbildung gefördert werden; es braucht gezielte Qualifizierungsprogramme und Weiterbildungsangebote, die sich an unterschiedliche Lebenssituationen anpassen. Das stärkt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Welche Rolle spielt bezahlbarer Wohnraum für Azubis? John: In vielen Regionen scheitert eine Ausbildung daran, dass sich junge Menschen die Miete nicht leisten können. Dem begegnen Programme wie „Junges Wohnen“, die ausgeweitet werden sollten. Welche politischen Weichenstellungen sind jetzt nötig? John: Bildungspolitik darf nicht weiter in Einzelmaßnahmen zerfallen. Es braucht eine klare Strategie, die auf Qualität, Digitalisierung, harmonisierte Standards und eine starke berufliche Bildung setzt. Sonst droht Deutschland den Anschluss zu verlieren. - jad Was bedeutet das für die Schulen? John: Entscheidend sind die Lehrpläne und gut ausgebildete Lehrkräfte. Das Lehramtsstudium muss praxisnäher werden. Für Lehrkräfte brauchen wir verpflichtende Fortbildungen. In Singapur hat man nachgewiesen, dass sich Schülerleistungen verbessern, wenn sich die Lehrenden kontinuierlich weiterbilden. Wie kann der Wert der beruflichen Ausbildung besser vermittelt werden? John: Die Fachkräfte in den Betrieben halten das sprichwörtliche Rad am Laufen. Trotzdem wird die Ausbildung im Betrieb oft als zweitrangig wahrgenommen. Das muss sich ändern. Wir brauchen ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass akademische und praxisorientierte „Digitale Kompetenzen gehören in alle Berufe.“ „Akademische und praxisorientierte Bildungswege sind gleichwertig, das muss ins gesellschaftliche Bewusstsein.“ 7 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

„Prüfende tragen die berufliche Bildung“ Lassen Sie uns mit Zahlen beginnen: Wie viele Prüfungen nehmen Sie im Kammerbezirk ab, in wie vielen Berufsausbildungen? Siebert: Wir nehmen jährlich rund 11.000 Prüfungen an 400 Prüfungsorten ab. Das betrifft 144 Erstausbildungsberufe, 41 Fortbildungsabschlüsse und 11 Sach- und Fachkundeabschlüsse. Wie viele Prüferinnen und Prüfer haben Sie im Boot und wo kommen sie her? Siebert: Die Zahlen schwanken. Im Moment sind 1.600 bis 1.800 Prüferinnen und Prüfer in 260 Prüfungsausschüssen aktiv. Zu 70 Prozent kommen sie aus unserem Kammerbezirk Leipzig; wir werden aus anderen Städten aber tatkräftig unterstützt. Und die agieren alle im Ehrenamt? Siebert: Ja. Die Prüfenden tragen die berufliche Bildung, ohne dieses Ehrenamt gäbe es keine qualitativ gesicherten Prüfungen. Es gehört zu den Aufgaben der IHK, fachlich und persönlich geeignete Prüfende zu berufen und einzusetzen. Wollen Sie all den Prüferinnen und Prüfern etwas ausrichten? Hier hätten Sie Platz dafür: Siebert: Dann lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, allen Prüferinnen und Prüfern für ihr ehrenamtliches Engagement im Interesse der Wirtschaft zu danken. Sie verkörpern unser Motto: ‚Aus der Wirtschaft, für die Wirtschaft!‘ Ohne sie wären die Prüfungen nicht möglich. Berufsbilder ändern sich, da ist Stillstand Rückschritt. Werden die Prüfenden geschult? Siebert: Generell gilt: Wer in der Prüfungskommission eingesetzt wird, muss eine Grundlagenschulung durchlaufen haben. Wir haben zudem das Schulungskonzept „Erfolgreich Prüfen“ aufgesetzt, sowohl für erstmals Berufene als auch für die erfahrenen Prüfenden. Welche Aufgaben bewältigen Sie mit Ihrem Team? Siebert: Unser 21-köpfiges Team deckt Erstausbildung, Weiterbildung sowie Sach- und Fachkunde ab. Wir organisieren, begleiten und werten Prüfungen aus. Wir prüfen die Zulassung der Teilnehmenden, laden sie ein, koordinieren Räume, Materialien und Aufsichten und sorgen dafür, dass Prüfungen reibungslos ablaufen – bei Kenntnisprüfungen oft nach bundesweit einheitlichen Vorgaben. Anschließend ermitteln wir die Ergebnisse, informieren die Teilnehmenden, stellen Zeugnisse aus und dokumentieren alle Daten. Zudem betreuen wir Ausschüsse, gestalten Prüfungsordnungen und beraten zum Bildungsrecht. Wenn Sie etwas verbessern könnten: Wo würden Sie nachjustieren? Siebert: Wir sind hier in Leipzig gut und serviceorientiert aufgestellt. Digital haben wir aufgeholt, entwickeln uns aber stetig weiter. – VHT/jad Bei Patricia Siebert laufen die Fäden zusammen, wenn es um Prüfungen geht – solche für Berufsausbildungen, Weiterbildungen und Sach- und Fachkundelehrgänge. Sie steht nicht nur dem Prüfungsorganisationsteam bei der IHK zu Leipzig vor, sondern bis zu 1.800 ehrenamtlichen Prüferinnen und Prüfern. Ein Gespräch über große Zahlen, über das Aufgabenspektrum und über das Prüfen im Ehrenamt. Patricia Siebert Interessenten für ein Prüfungsamt wenden sich an: Patricia.Siebert@Leipzig.ihk.de Im Prüfungssaal: Um die 11.000 Prüfungen nimmt die IHK zu Leipzig jährlich ab. 8 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

Seit über zehn Jahren prüft Nancy Jonack den Berufszugang Selbständigkeit Taxi- und Mietwagen, aber auch den Ausbildung-der-Ausbilder-Schein (AdA), mit dem Ausbildende ihre berufs- und arbeitspädagogische Eignung nachweisen. Nur mit diesem Schein darf man im Unternehmen ausbilden – unabhängig vom Fachbereich. Nancy Jonack erhält so Einblick in verschiedenste Berufe. Sie begann ihr Ehrenamt, nachdem sie selbst die Prüfung für den Berufszugang Taxi- und Mietwagen abgelegt hatte. „Durch meine Ausbildung zur Bankkauffrau waren mir wirtschaftliche Themen vertraut und somit fiel mir die Prüfung nicht schwer. Das erkannte mein damaliger Prüfer und schlug mir das Ehrenamt vor. Das war eine neue Erfahrung und ich habe diesen Schritt nicht bereut“, erzählt Nancy Jonack, die heutige Geschäftsführerin vom Taxibetrieb Jonack, den sie nach mehr als 30 Jahren Unternehmensgeschichte gemeinsam mit ihrem Bruder von ihren Eltern übernahm. Damit Fachkräfte ihre Aus- und Fortbildungen mit anerkannten Prüfungen abschließen können, sind deutschlandweit 160.000 ehrenamtliche Prüfende im Einsatz. Im Kammerbezirk der IHK zu Leipzig sind es ungefähr 1.700 Ehrenamtliche. Der Aufwand, für den die Ehrenamtler entschädigt werden, hängt von den Prüfungen ab. „Die Prüfungen des Berufszugangs für Taxi- und Mietwagen finden seltener statt als die für den AdA-Schein, für die man sich fast jede Woche einfinden könnte. Schön ist, dass man nicht an jeder Prüfung teilnehmen muss, sondern seine Prüfzeiten mit der IHK abstimmen kann“, erklärt Jonack. Neben ihrer Geschäftsführerinnentätigkeit und ihrem Ehrenamt ist Nancy Jonack als Dozentin am Zentrum für Aus- und Weiterbildung Leipzig tätig. Und was bringt ihr das Ehrenamt? „Man lernt interessante Menschen kennen“, antwortet sie. „Auf der einen Seite die Mitprüfenden: Da haben sich wundervolle Freundschaften zu Menschen entwickelt, die ich gern auch privat in meinem Leben habe. Auf der anderen Seite die Prüflinge aus den vielfältigsten Fachbereichen: viele interessante Charaktere, von denen ich lernen kann. Beispielsweise kenne ich jetzt die korrekte Handhabung eines Messschiebers, ich weiß, wie eine Marzipanrose fachgerecht geknetet wird oder wie ich entfaltete Bettwäsche auf wundersame Weise wieder in die Originalverpackung hineinbekomme.“ - VHT Von Prüfung zu Freundschaft Nancy Jonack prüft seit mehr als zehn Jahren den Nachwuchs im Taxi- und Mietwagenbusiness – im Ehrenamt Weitere Informationen zum Prüfungswesen: Infos zu Prüfungen | IHK zu Leipzig Nancy Jonack: Einblick in verschiedenste Berufe 9 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

„Es hat sich gelohnt!“ Herr Reinhold, herzlichen Glückwunsch zum Abschluss! Was hat Sie bewegt, mitten im Berufsleben noch einmal die Schulbank zu drücken? Reinhold: Nach 20 Jahren in der Montage war für mich die Zeit reif, nach Wachstumsmöglichkeiten zu schauen. Ich wollte mich persönlich weiterentwickeln und meiner Familie mehr bieten. Zusammen mit einem Kollegen haben wir bei der IHK die Weiterbildung zum Industriemeister Metall entdeckt, das war für uns der schnellstmögliche Abschluss. Wie ist es Ihnen gelungen, Berufsleben, Familie und Weiterbildung unter einen Hut zu bekommen? Reinhold: Es war eine große Umstellung, nach all den Jahren im Beruf wieder den ganzen Tag in der Schule zu sitzen. Mein Arbeitgeber hat mich für diese sechsmonatige Ausbildung freigestellt – unter anderem durch Bildungsurlaub und Überstundenabbau. Aber es war nicht leicht. Meine Frau und unsere beiden Kinder mussten oft zurückstecken, weil ich am Abend gelernt habe. Was hat Sie bewogen, trotz der Herausforderungen weiterzumachen? Reinhold: Regine Neuhaus von der IHK-Prüfungsorganisation hat sich um meine Anliegen engagiert geküm mert. Als ich kurz vor dem Abschluss familiäre Sorgen hatte, konnte ich das Fachgespräch ein halbes Jahr verschieben, was mir sehr entgegenkam. Meiner Familie bin ich dankbar für das Verständnis und dafür, dass sie mich immer unterstützt und motiviert hat. Wir sind noch enger zusammengewachsen. Wenn ich es zusammenfassen soll: Es hat an den Kräften gezehrt, aber es hat sich gelohnt! Sie sind für die feierliche Zeugnisübergabe in Leipzig eigens aus Ungarn angereist, wo Sie auf Dienstreise waren … Reinhold: Und auch dieser weite Weg hat sich gelohnt! Ich wollte die Atmosphäre erleben und stolz auf mich sein. Es kam für mich nicht infrage, das Zeugnis aus dem Briefkasten zu holen. Daher bin ich mit meinem Kollegen die 1.000 Kilometer nach Leipzig gefahren – und nach der Feier in einer 23-stündigen Fahrt zurück. Wie geht’s beruflich weiter? Reinhold: Ich habe ein innerbetriebliches Auswahlverfahren bestanden und werde ein Jahr lang in Ungarn Erfahrungen als Industriemeister sammeln. Meine Kenntnisse über Personalführung und Betriebswirtschaft möchte ich gerne erweitern. Und vielleicht kommt noch ein Abschluss zum Technischen Betriebswirt dazu. – KS Jan Reinhold ist frischgebackener Industriemeister Metall. Seine Weiterbildung und die Prüfung hat er bei der IHK zu Leipzig absolviert. Jan Reinhold: Meisterhaft Bei der Zeugnisausgabe: „1.000 lohnende Kilometer“ 10 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

„Fachkräftesicherung beginnt mit der Berufsorientierung. Firmen, die ausbilden, können Kompetenzen so vermitteln, dass sie auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind und junge Talente frühzeitig binden“, begründet Moritz John, Abteilungsleiter Wirtschafts- und Bildungspolitik, den Einsatz der IHK für die Ausbildung. Das ist der Geist, der hinter dem jährlichen Aktionstag Lehrstellen steckt, der dieses Jahr am 17. Mai auf dem Gelände des Zentrums für Aus- und Weiterbildung in Leipzig-Leutzsch stattfindet. Rund 2.000 Besucherinnen und Besucher – vor allem Jugendliche und ihre Familien – strömen jedes Jahr zur größten Open-Air-Berufsorientierungsmesse in Mitteldeutschland, um sich über die Ausbildungsmöglichkeiten bei den hiesigen Unternehmen zu informieren. Zu den Ausstellern gehören sowohl die großen Namen aus der Region als auch kleine Firmen, die für einen der 250 gewerblich-technischen und kaufmännischen Berufe ausbilden. Azubi-Speed-Dating: In zehn Minuten zum Bewerbungsgespräch „Die Möglichkeit, potenzielle Bewerberinnen und Bewerber über das Speeddating kennenzulernen, war super. Diese Option bietet keine andere Berufsorientierungsmesse“, teilt Anja Vetter ihre Erfahrungen. Die Personalreferentin Ausbildung bei der Leipziger Messe GmbH hat 2024 den Stand ihres Unternehmens betreut. Im ZehnMinuten-Takt können sich Interessierte und Unternehmen beschnuppern, um abzuschätzen, ob sie zusammenarbeiten wollen. „Aus diesem Speed-Dating haben sich Bewerbungen und Vorstellungsgespräche ergeben. Wir haben auf diesem Weg eine Ausbildungsstelle für Fachinformatiker für Systemintegration besetzt“, so Vetter weiter. Ausprobieren, Fragen stellen, Kontakte knüpfen Nicht nur junge Leute kurz vor dem Schulabschluss sind angesprochen, sondern auch Studierende, die mit dem Studium hadern, und jüngere Schülerinnen und Schüler, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Moritz John betont, wie wichtig der persönliche Kontakt ist: „Es gibt Mitmach-Aktionen und persönliche Gespräche mit Leuten, die schon in den Betrieben arbeiten, einschließlich der Azubis. Das sind authentische Eindrücke, und das hilft, sich zu entscheiden.“ Die IHK organisiert den Aktionstag jedes Jahr; die Ausbildungsberatung informiert an einem eigenen Stand über die duale Ausbildung. – KS Berufsorientierung: Aktionstag für authentische Einblicke Die IHK zu Leipzig organisiert die größte Open-Air-Veranstaltung zur Berufsorientierung in Mitteldeutschland – damit Ausbildungssuchende und Unternehmen zueinander finden. Aktionstag Lehrstellen: Messeflair in Leipzig Leutzsch Fachkräfte Spezial 11 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

Damit niemand aus dem Raster fällt Aus- und Weiterbildungsberatung: Einhaken, wo es (noch) nicht passt „Unser aller Anliegen ist es, die Qualität der Ausbildung hochzuhalten.“ Matthias Locker leitet bei der IHK die Aus- und Weiterbildungsberatung, und mit seinem Team prüft er nicht nur Ausbildungsverträge, sondern berät Unternehmen und hilft neuen Ausbildenden beim Start. Die Hochsaison liegt zwischen Mai und September, wenn rund 75 Prozent der Jahresverträge bearbeitet werden. Die zweite arbeitsintensive Phase beginnt, wenn sich die Probezeit der neuen Azubis dem Ende nähert. 3.500 Ausbildungsverträge werden pro Jahr im Kammerbezirk der IHK zu Leipzig abgeschlossen – und wenn nicht alles verläuft wie erhofft, wenden sich Jugendliche oder Ausbildende an die IHK. In manchen Branchen, sagt Janett Streller, die zum sechsköpfigen Team der Aus- und Weiterbildungsberatung gehört, sei die Fluktuation besonders hoch: „Im Handel wechseln immer mehr Azubis während der Ausbildung das Unternehmen – ebenso in der Gastronomie und Logistik.“ Ziel sei es, junge Menschen nicht in Gelegenheitsjobs abrutschen zu lassen. „Der Arbeitsmarkt ist ja da erbarmungslos“, sagt sie. Bei Studienabbruch umorientieren Nicht nur Azubis, sondern auch Studierende, die mit ihrem Weg hadern, finden Rat bei der IHK. „Wer im Studium nicht weiterkommt, kann direkt in eine Berufsausbildung wechseln und Leistungen anerkennen lassen – je nachdem, wie gut die bisherigen Studienleistungen zum gewählten Lehrberuf passen“, erklärt Matthias Locker. Über 300 Ausbildungsberufe „Wer die Schule abschließt, ist sich der Chancen einer beruflichen Qualifikation oft nicht bewusst, sei es als „Wer im Studium nicht weiterkommt, kann direkt in eine Berufsausbildung wechseln.“ Matthias Locker Das Beraterteam: Maik Meyer, Tilo Neumuth, Matthias Locker, Yvonne Kühn (sitzend), Evelyn Reinboth, Janett Streller (v.l.n.r.). 12 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

Führungskraft oder auf der Expertenlaufbahn“, so Matthias Locker. Eltern hätten oft nur eine Handvoll Berufe im Kopf und drängten ihre Kinder in eine dieser Richtungen. „Dabei gibt es über 300 Ausbildungsberufe“, macht er den Nachholbedarf deutlich. Zukünftige Azubis informiert die IHK auf Ausbildungs- und Jobmessen, und: „Wir wollen Berufsorientierung an Schulen – gerade an Gymnasien – verstärken“, betont Locker. Partner der Unternehmen Janett Streller kennt die Unternehmensseite gut. Bevor sie zur IHK wechselte, arbeitete sie in Personalabteilungen. Heute prüft sie in ihrem Team die Ausbildungsbedingungen in Betrieben: „Wir wollen die Ausbildungsbetriebe nicht bevormunden, sondern verstehen uns als ihre Partner. Gerade kleine Firmen ohne hauptamtliche Ausbildende liegen mir am Herzen, die haben es schwerer als Konzerne mit Personalabteilungen“, sagt sie. Mediensucht und Generationskonflikt Viele Unternehmen haben dieselben Sorgen: Immer mehr Auszubildende leiden unter psychischen Problemen oder Mediensucht. Hinzu kommen Generationskonflikte. „Hier bitten die Betriebe um Hilfe. Wir können im Rahmen unserer Kapazitäten Mediation und Supervision anbieten“, so die Beraterin. Ihr liegt der direkte Austausch unter den Ausbildenden am Herzen – etwa am Ausbildungsstammtisch, an dem sich jene treffen, die täglich mit den Azubis zu tun haben. „Den sollten wir wiederbeleben, flankiert durch unsere Fachveranstaltungen im Jahresverlauf“, wünscht sich Janett Streller. - jad Aus- und Weiterbildungsberatung der IHK zu Leipzig ■ Ausbildungsbetriebe unterstützen – zu Ausbildungsberechtigungen, neuen Berufen und Ausbilderqualifikation beraten ■ Ausbildungsverträge prüfen – von der Anmeldung bis zum Abschluss ■ Konflikte lösen - Mediation zwischen Azubis und Betrieben ■ Berufsorientierung für Schülerinnen und Schüler – zu Ausbildungsmöglichkeiten und Karrierewegen informieren ■ Studienabbrecher unterstützen – zur beruflichen Neuorientierung beraten ■ Netzwerke organisieren – damit sich Ausbildende untereinander austauschen „Es gibt über 300 Lehrberufe – nicht nur die zwei, drei, die die Eltern im Kopf haben.“ Matthias Locker „Wir verstehen uns als Partner der Ausbildungsbetriebe, gerade der kleinen, die es schwerer haben als Konzerne mit Personalabteilungen.“ Janett Streller Einstiegsqualifizierung: Chance für Betriebe und Jugendliche Die Einstiegsqualifizierung ist ein sozialversicherungspflichtiges Praktikum. Sie richtet sich an Ausbildungsinteressierte ohne Ausbildungsplatz, besonders an Jugendliche mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven, fehlender Ausbildungsreife oder sozial benachteiligte und lernbeeinträchtigte Personen. Besonders charmant: Betriebe und Jugendliche kennenlernen, bevor ein Lehrvertrag fixiert wird. ■ Unternehmen erhalten Fördermittel und gewinnen im besten Fall Azubis ■ Dauer: vier bis zwölf Monate, mit Berufsschulbesuch ■ Erworbene Qualifikationen können angerechnet werden ■ Abschluss mit betrieblichem Zeugnis Mehr zur Aus- und Weiterbildungsberatung 13 Fachkräfte Spezial IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

Neustart nach Studienabbruch „Alle Freunde starteten ins Berufsleben – und ich musste noch mal von vorne anfangen.“ Wie hast du dich gefühlt, als es bei deinem Studium plötzlich nicht weiterging? Illgen: Ich habe von Anfang an gemerkt, dass das Studium anspruchsvoll ist, mich aber gut durchgekämpft. Als ich durch eine wichtige Prüfung gefallen bin, hatte ich meine Bachelorarbeit fertig und war einen Monat vor meinem Abschluss. Das war heftig. Ich hatte mich drei Jahre reingehängt und eine Stelle in Aussicht. Als der Bescheid kam, war ich völlig neben mir. Alle Freunde starteten ins Berufsleben – und ich musste noch mal von vorne anfangen. Wie ging es für dich weiter? Illgen: Ich wusste, ich will im Bereich Büroorganisation bleiben. Zusammen mit meiner Mutti habe ich recherchiert und wir sind auf Karen Marcus und die „Passgenaue Besetzung“ gestoßen. Ein reines Studium kam für mich nicht infrage. Ich wollte schnell wieder etwas machen. Was schätzt du an deiner Ausbildung? Illgen: Am besten gefällt mir, dass ich in verschiedene Bereiche und Abteilungen des Industriebetriebs reinschauen kann. So baue ich mir breites Fachwissen auf und vertiefe erworbenes Wissen. Die Ausbildung ist zwar herausfordernd, aber ich bin auf einem guten Weg und möchte danach erst mal hierbleiben. Dass ich drei Jahre durch mein Studium verloren habe, ärgert mich noch. Doch ich bin froh über die neuen Erfahrungen, Freundschaften und die Unterstützung meiner Eltern. Celine Illgen studiert drei Jahre „Allgemeine Verwaltung“ im gehobenen Dienst. Einen Monat vor ihrem Abschluss besteht sie eine entscheidende Prüfung nicht – und wird aus dem dualen Bachelorstudium exmatrikuliert. Mit ihrer Ausbildung zur Industriekauffrau bei Leipziger Leuchten GmbH beginnt sie noch mal von Neuem. Fachkräfte Spezial 14 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

Du bist nach einem Jahr nach Deutschland zurückgekehrt. Wie ging es dann weiter und was hat dir geholfen, dich neu zu orientieren? Diehl: Als ich nach einem Jahr wieder in Deutschland war, wusste ich, dass ich nicht noch mal Zeit in ein Studium investiere. Über Internetrecherche bin ich auf die „Passgenaue Besetzung“ der IHK – und auf Karen Marcus – gestoßen. Sie hat mir geholfen, das richtige Unternehmen zu finden, hat meine Bewerbungen korrigiert und mich in die Ausbildung begleitet. Für die S-Factoring habe ich mich entschieden, weil das ungewöhnlich klang. Das fand ich interessant. Was hat dir an deiner Ausbildung besonders gefallen? Diehl: Dass ich von Anfang an in viele unterschiedliche Bereiche reinschauen und auch direkt Verantwortung übernehmen konnte. Meine Arbeit macht mir Spaß, sie fordert mich heraus. Auch nach meiner Übernahme kann ich mich weiterentwickeln. Vielleicht schließe ich noch ein passendes berufsbegleitendes Studium an. Wie blickst du heute auf deinen Weg? Diehl: Durch die Ausbildung lernt man Praxis und kennt sich besser im Unternehmen aus. Ich hätte mein Studium nie freiwillig abgebrochen. Im Nachhinein finde ich aber: Jeder sollte vor dem Studium eine Ausbildung machen. Man verdient Geld und kann sich besser fürs Berufsleben orientieren. – saho Anastasiia Diehl beendet im Juni 2024 ihre Ausbildung zur Kauffrau im Büromanagement bei der S-Factoring GmbH Leipzig – einem Tochterunternehmen der Sparkasse. Ein Jahr vorher muss sie ihr Theologiestudium im sechsten Semester abbrechen: Ihr Visum wird nicht verlängert und sie muss zurück in ihre Heimat Ukraine. „Ich hätte mein Studium nie freiwillig abgebrochen.“ Jonas Hilbeck macht eine Ausbildung im dritten Lehrjahr bei Vopelius Chemie AG als Chemielaborant. Sein Chemiestudium hat er im fünften Semester abbrechen müssen. „Ich habe mich so lange im Studium gehalten, weil ich nicht wollte, dass alles umsonst war.” Wann hast du gemerkt, dass dein ursprünglicher Weg nicht passt – und wie hat sich das angefühlt? Hilbeck: Ich bin im Studium immer mehr stagniert. Es war nicht nur schwierig, sondern hat mich inhaltlich immer weniger angesprochen – obwohl Chemie meine Leidenschaft ist! Als ich eine schwierige Klausur auch im dritten Versuch nicht bestanden hatte, musste ich einen Schlussstrich ziehen. Das ist mir nicht leichtgefallen. Was hat dir an deiner Ausbildung besonders gefallen? Hilbeck: Ich habe über einen Kommilitonen, der selbst daran teilgenommen hat, vom Programm „Passgenaue Besetzung“ erfahren. Darin habe ich die perfekte Anlaufstelle für mich gefunden. Das Wichtigste war für mich, aufgefangen zu werden. Karen Marcus von der IHK hat mir durch ihre Kontakte meinen Ausbildungsplatz vermittelt, der offiziell noch gar nicht zu finden war. Darüber bin ich sehr glücklich. Wie schaust du jetzt auf deine Ausbildung? Hilbeck: Das Beste ist die Praxisnähe – das hat mich schon im Studium durch die Laborpraktika aufgefangen. Dadurch wurde mir klar, dass ich Laborant werden möchte. Ich fühle mich wohl und freue mich, dass ich nach der Ausbildung direkt übernommen werde. Rückblickend wäre es sinnvoll gewesen, erst eine Ausbildung zu machen und dann zu studieren, als Grundlage, auf die man zurückfallen kann. Ich habe mich so lange im Studium gehalten, weil ich nicht wollte, dass alles umsonst war. 15 Fachkräfte Spezial IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

„Innehalten, Abschluss machen“ Julian Peppel, 30 Jahre alt, jobbte sich nach der Schule durchs Leben, ehe er auf einem Stadtfest Karen Marcus traf. „Du kannst doch viel mehr“, schrieb sie ihm bei der Zufallsbegegnung ins Stammbuch – und das saß. Karen Marcus ist bei der IHK zu Leipzig für die „Passgenaue Besetzung“ zuständig, ein Projekt des Bundeswirtschaftsministeriums, dessen Name Programm ist: Es geht darum, junge Menschen, die nicht auf direktem Weg in die Ausbildung gefunden haben, mit Betrieben zusammenzubringen, die dringend Nachwuchs suchen. Peppel durchlief an seinem alten Wohnort, damals noch weit weg von Leipzig, ein Einstiegsqualifizierungsjahr. Danach zog er der Liebe halber nach Leipzig – und erinnerte sich an Karen Marcus: „Ich wollte beruflich nicht noch mal bei null anfangen“, erinnert er sich, der die Schule 2010 mit Hauptschulabschluss verlassen und den Realschulabschluss 2016 nachgeholt hatte. Marcus konnte weiterhelfen – und vermittelte Julian Peppel nicht nur einen Lehrvertrag in einem Fachgeschäft, sondern setzte durch, dass ihm das Qualifizierungsjahr auf die Ausbildung angerechnet wird. Er wurde erst Verkäufer – und setzte dann noch den Einzelhandelskaufmann drauf. „Es ist in solchen Situationen wichtig, innezuhalten und einen Plan zu schmieden, der zum Abschluss führt. Für die genauen Modalitäten muss man sich an einen Tisch setzen“, so Marcus, die sich über die Jahre ihr Netzwerk aufgebaut hat: Sie hält Kontakt zu den Hochschulen und präsentiert ihr Projekt auf Ausbildungs- und Karrieremessen. „Lehrkräfte der Abgangs Seit zehn Jahren vermittelt Karen Marcus bei der IHK zu Leipzig Jugendliche, deren Lebensläufe Brüche aufweisen, an Unternehmen, die dringend Personal suchen. klassen aus Oberschulen und Gymnasien kommen dann auf mich zu, wenn ihre Schützlinge ohne Perspektive dastehen.“ In den vergangenen zehn Jahren hat sie bei etwa 2.500 Beratungen rund 500 Vermittlungen vorzuweisen. Julian Peppel hat die Kurve gekriegt – und im Handel sein Glück gefunden: Er ist nach der Ausbildung zu einer Supermarktkette gewechselt, hat sich zum Abteilungsverantwortlichen hochgearbeitet. Und weil er gerade Vater geworden ist, plant er den nächsten Schritt auf seinem beruflichen Weg: Er kann sich vorstellen, in den OnlineVertrieb zu wechseln, da das familienfreundlich von zu Hause aus zu machen ist, und liebäugelt damit, den Handelsfachwirt dranzuhängen. Was er jungen Menschen raten würde, die vor ähnlichen Hürden stehen wie einst er selbst: „Nicht aufgeben, Unterstützung suchen, was machen. Meine Praktika damals im Kfz-Bereich und in der Küche möchte ich nicht missen – das Reinschnuppern kann ich nur empfehlen.“ Den Personalabteilungen, denen Lebensläufe vorgelegt werden, die nicht geradlinig verlaufen sind, rät er: „Gebt den Leuten eine Chance. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, hätte man mir die Chance nicht gegeben.“- jad Beraterin Karen Marcus im Gespräch mit Julian Peppel Mehr zur Passgenauen Besetzung 16 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

„Ich finde, Ausbildungsberufe müssten wieder viel mehr beworben und attraktiver gemacht werden. Besonders auf dem Gymnasium liegt der Fokus oft auf dem Studium – aber es muss nicht jeder studieren!“, sagt Neele, angehende Abiturientin aus Leipzig. Sie hat sich bereits für eine duale Ausbildung entschieden: „Ich bin ziemlich realistisch und habe mich gefragt: Kann ich mir das Studium finanziell leisten? Viele unterschätzen das. Das Leben ist teuer – da ist eine Ausbildung eine gute Möglichkeit. Man verdient was und kann danach immer noch weiter studieren.“ IHK informiert in Gymnasium Um Perspektiven nach dem Abitur aufzuzeigen, informierten Karen Marcus und Janett Streller von der IHK zu Leipzig im März am Gymnasium Rudolf-HildebrandSchule Markleeberg angehende Abiturientinnen und Abiturienten der 11. Klasse über duale Ausbildungsmöglichkeiten – und vermittelten die Vorteile: „Praxiserfahrungen ab dem ersten Tag, finanzielle Unabhängigkeit durch ein Ausbildungsgehalt sowie gute Übernahmechancen“, zählt Janett Streller bei ihrem Vortrag in der Aula auf. „Profitieren können Absolvierende auch von verkürzten Ausbildungszeiten und anrechenbaren praktischen Erfahrungen während möglicher Wartesemester. Somit bildet eine duale Ausbildung eine solide Grundlage für die eigene Karriere – auch, weil man sich anschließend immer noch für ein Studium entscheiden kann.“ Studium oder Ausbildung – mit Schülerinnen und Schülern im Gespräch Die Möglichkeit, Wartesemester für ein Medizin- oder Wirtschaftsstudium mit einer Ausbildung sinnvoll zu überbrücken, findet auch Joshua aus der 11. Klasse richtig gut: „Ich ziehe es schon in Betracht, eine Ausbildung vor meinem Studium zu machen. Sie bietet mir die nötige Praxiserfahrung und Ansehen fürs Studium.“ Chiara, ebenfalls Elftklässlerin, möchte gerne Jura studieren, sieht aber auch die Vorteile einer dualen Ausbildung: „Durch die Infoveranstaltung heute habe ich mir überlegt, doch erst eine Ausbildung zu machen – da lernt man noch mal praktische Fähigkeiten. Und ich habe gerade erfahren, dass man sich dadurch sogar Semester anrechnen lassen kann – was ich natürlich nicht schlecht finde.“ Nach der Ausbildung im Unternehmen zu bleiben, können sich beide durchaus vorstellen. Entscheidend für die Wahl des Ausbildungsplatzes sind für sie neben der Praxiserfahrung vor allem das Ausbildungsgehalt, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Chance, sich selbst beweisen zu können. - saho Praxis statt Hörsaal Die IHK zu Leipzig informiert am Gymnasium in Markkleeberg über duale Ausbildungswege – und zeigt, dass es nach dem Abitur nicht immer ein Studium sein muss. Gerade für junge Menschen, die praxisnah und schnell ins Berufsleben starten wollen, bieten sich attraktive Alternativen durch eine duale Ausbildung. Vollbesetzte Aula: Karen Marcus und Janett Streller am Gymnasiums Rudolf-Hildebrand Schule Markleeberg 17 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

Mosaik: Fachkräftemonitoring Wie sich der Arbeitsmarkt in Sachsen entwickelt - das zeigt das jährliche Fachkräftemonitoring, das die sächsischen IHKs und Handwerkskammern seit über 20 Jahren erheben. 2024 haben sich mehr als 1.000 Unternehmen mit rund 55.700 Beschäftigten beteiligt; 453 davon bilden 2.671 Azubis aus. Befragt werden Betriebe aller Branchen – und hier stellen wir einige der Ergebnisse vor. Vakante Stellen können teuer sein. Für Stellenportale, Auswahlgespräche und weitere Prozesse fallen im Schnitt 30.000 bis 50.000 Euro an. Bleibt eine Stelle länger offen, macht das Kollegium Überstunden oder es kommt zu Produktionseinbußen. Wenn es darum geht, schwerbehinderte Menschen einzustellen, sehen die meisten Firmen die größte Hürde darin, den Arbeitsplatz auf die besonderen Ansprüche hin einzurichten. Rechtliche Regelungen sehen nur ein Viertel der Betriebe als Hindernis. Mehr zum inklusiven Arbeiten, einschließlich Anlaufstellen zu verschiedenen Fragen, haben wir auf unserer Webseite zusammengestellt. Selbst ist die Ausbildung! Wer ausbildet, bindet Nachwuchskräfte frühzeitig und vermittelt passgenau, was für das eigene Geschäft wichtig ist. Die IHK unterstützt Unternehmen auf dem Weg zur Ausbildungseignung und auf der Suche nach passenden Azubis. Als Arbeitgeber attraktiver werden – dafür haben wir Tipps zusammengestellt, die sich besonders für kleine und mittelständische Unternehmen eignen. Anhand weniger Kenngrößen erstellen wir eine erste Analyse und einen Plan. 18 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025 Fachkräfte Spezial

… und meistgesucht sind Facharbeitende. Wir unterstützen Unternehmen, die im Ausland rekrutieren wollen, bei den ersten Schritten oder mitten im Prozess im Projekt „Talente gewinnen und sichern“. Brücken ins Ausland bauen Bis 2030 verliert der sächsische Arbeitsmarkt rund 317.000 Menschen allein durch Altersaustritte – das zeigen Daten des Statistischen Landesamts. „Daher sollte man frühzeitig verschiedene Anwerbemöglichkeiten austesten – auch im Ausland“, sagt Yvonne Ruhnau, die bei der IHK zu Leipzig gemeinsam mit Elisabeth Weiß das Projekt Talente gewinnen und sichern koordiniert. Betriebliche Voraussetzungen zu schaffen oder Netzwerke im Drittstaat aufzubauen – das seien keine Sprints, sondern Langstreckenläufe: „Die Unternehmen sind gefragt, den Prozess mitzugestalten, um internationale Fachkräfte nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten. Und das braucht Zeit.“ Yvonne Ruhnau und Elisabeth Weiß beraten Unternehmen, die Arbeits- und Fachkräfte oder Auszubildende aus EU- und Drittstaaten gewinnen wollen – etwa zum Aufenthaltsrecht, zur Beantragung von Fördermitteln und zum Employer Branding. Ihre Stärke seien die Partnerschaften – von der Auslandshandelskammer über die Bundesagentur für Arbeit bis hin zu spezialisierten Dienstleistern. „Wir selbst sind im IHK-Projekt keine Vermittler. Das ist nicht unser Auftrag. Wir dürfen nicht in den Markt eingreifen“, stellt Yvonne Ruhnau klar. „Allerdings ermöglichen wir Matches zwischen Arbeitgebern und Kandidaten – mit unseren Projektkooperationen.“ Dazu zählt das Projekt Hand in Hand for International Talents: Das vermittelt qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten in Berufe der Hotellerie, Gastronomie, Metall-, Elektro- und IT-Branche. Im IHK-Projekt werden überdies Veranstaltungen geboten, darunter Webinare wie den IHK-Mittagsmittwoch – Fachkräftesicherung to go. Internationale Fachkräftegewinnung: Prozess aktiv gestalten Mehr dazu auf der Veranstaltungsseite und unter IHK-Fachkräfteprojekt Yvonne Ruhnau (l.) und Elisabeth Weiß 19 Fachkräfte Spezial IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

IHK-Zeugnisse am Nil Seit nunmehr 20 Jahren engagiert sich die IHK zu Leipzig in einem eigenen Fachkräfteprojekt in Ägypten – und kooperiert mit Ausbildungsbetrieben und der Hotelfachschule in El Gouna. Ausgebildet werden Fachkräfte für Gastronomie, mit den Spezialisierungen Restaurantservice und Küche – ein Angebot, das über die Jahre fast 1.000-fach genutzt wurde: Die Schule zählt bislang 140 Absolventinnen und 858 Absolventen. Anerkennungsverfahren entfällt „Das ist ein beachtliches Potenzial“, schätzt IHK-Geschäftsführer Mario Bauer ein, der das IHK-Fachkräfteprojekt seit seinen Anfängen begleitet. Unterrichtet wird in Schule und Praxis auf Deutsch; die Prüfungen nimmt die IHK zu Leipzig nach deutschen Standards vor Ort in Ägypten ab. Das hat Vorteile für jene, die sich auf den Weg nach Deutschland machen – und für die Unternehmen, die sie einstellen: „Für sie entfällt die Gleichwertigkeitsfeststellung des Berufsabschlusses“, so Bauer. „Handverlesene Partner“ El Gouna ist ein internationaler Tourismushotspot, viele Deutsche verbringen hier ihren Urlaub. Das schafft Praxisnähe – und den Bezug zur deutschen Sprache. „Die Hotels vor Ort sind erfahrene Ausbildungspartner. Sie genügen hohen Qualitätsansprüchen“, betont Mario Bauer. Unterstützt werden die Auszubildenden von der Sawiris Foundation, die Stipendien vergibt. Die IHK zu Leipzig kooperiert mit Partnern in Ägypten, um Restaurantfachkräfte nach deutschem Standard auszubilden – und will ihnen den Weg nach Deutschland ebnen Absolventen für Sachsen gewinnen Bislang galt es besonders, die duale Ausbildung zu etablieren; künftig will Bauer zunehmend Absolventen für Betriebe in der Region Leipzig gewinnen. Wie das konkret umgesetzt werden soll – das verhandelte er zu Jahresbeginn, als er mit der IHK-Projektverantwortlichen Elisabeth Weiß und Vertretern des Projektpartners Rahn Education zu den lokalen Projektpartnern nach Ägypten reiste. Delegationsreise nach Ägypten Im Mai 2025 folgt der nächste Schritt: Die IHK bietet eine Delegationsreise nach Ägypten an. Unternehmensvertreter können die Absolventinnen und Absolventen ebenso wie die Lehrkräfte kennenlernen, die feierliche Zeugnisausgabe miterleben und die Schule besichtigen. Wer nicht mitreist, kann im Sommer an einem OnlineMatchingverfahren teilnehmen. „So reibungslos wie möglich“ Sollten Absolventen den Schritt nach Deutschland wagen, werden sie ab Einreise über Monate hinweg begleitet. „Wir wollen den Übergang so reibungslos wie möglich gestalten“, betont Elisabeth Weiß. Rahn Education hat sich bereit erklärt, die Neuankömmlinge bei Behördengängen, Bankangelegenheiten und der Integration in das soziale Umfeld zu begleiten, während die IHK wiederum den Unternehmen beratend zur Seite steht, damit die Integration gelingt. - jad Deutsche Hotelfachschule in Ägypten: Frischgebackene Fachkräfte für Gastronomie Fachkräfte Spezial 20 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

Im Austausch mit der Auslandshandelskammer in HoChi-Minh-Stadt entstand eine erste Kooperation: eine Karrieremesse im November 2024. „Wir haben Vakanzen in bestimmten Berufsfeldern aufbereitet, gemeinsam mit der AHK und der Invest Region Leipzig auf Vietnamesisch präsentiert und das Interesse an Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland abgefragt.“ Perspektiven für Fachkräfte Laut Ruhnau sei eine Ausbildung oder Beschäftigung in Deutschland für viele Menschen in Vietnam attraktiv: „Zahlreiche Jugendliche finden dort keinen Job – gerade in ländlichen Regionen. Die deutsche Ausbildung ist hoch angesehen. Und viele schätzen die Möglichkeit, sich hier langfristig etwas aufbauen zu können.“ – saho Fachkräfte gewinnen, Kooperationen aufbauen und vertiefen, Menschen begegnen – mit diesem Ziel reiste Yvonne Ruhnau, HR-Beraterin bei der IHK zu Leipzig, im September 2024 nach Vietnam. Eingeladen hatte das Amt für Wirtschaftsförderung Leipzig; die 22-köpfige Delegation traf sich mit Vertreterinnen und Vertretern von Berufsschulen, Sprachzentren, Ministerien und Personaldienstleistern in Ho-Chi-Minh-Stadt, Hanoi und Da Nang. Erste Ergebnisse: Kooperationen und Messeformate „Unsere Mitgliedsunternehmen sollen wissen, dass sie sich an uns wenden können, wenn sie Fachkräfte in Vietnam suchen“, so Yvonne Ruhnau. Dies betreffe nicht nur Vorbereitung, Einreise und Beratung zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse, sondern auch die Integration in den betrieblichen Alltag. „Deutsche Ausbildung ist respektiert“ Wirtschaftsreise zwischen Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt: IHK wirbt um Partnerschaften in Vietnam ■ Wirtschaftsreise und Fachkräftemesse im Herbst: Zweite Wirtschaftsreise nach Vietnam: Sie ist vom 29. September bis 5. Oktober 2025 geplant. Schwerpunkte sind unter anderem Wasser- und Energiewirtschaft, Industrie sowie Im- und Export. Kontakte zu Berufs- und Sprachschulen können aufgebaut werden. Am 4. Oktober 2025 präsentiert sich die Leipziger Wirtschaft beim Deutschlandfest in Ho-Chi-Minh-Stadt. Unternehmen können sich bis zum 15. Mai 2025 anmelden und Themen einbringen. „Ein paar Plätze haben wir noch frei“, sagt Yvonne Ruhnau. Mehr dazu: Wirtschaftsreise der Stadt Leipzig. Digitale Fachkräftemesse: Sie findet im Herbst 2025 statt und wird von der IHK zu Leipzig ausgerichtet. Gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung, der Invest Region Leipzig sowie Personal- und Sprachdienstleistern stellt sie Unternehmen digitale Messestände zur Verfügung, um mit Fachkräften und Auszubildenden ins Gespräch zu kommen. Die Delegation in Hoi An Yvonne Ruhnau (l) und Dr. Susann Landgraf vom Klinikum St. Georg (r) in Ho-Chi-Minh-Stadt Fachkräfte Spezial 21 IHK zu Leipzig Magazin „Wirtschaft“ Ausgabe Frühjahr 2025

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